Die Mitgliederversammlung von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. tagte am 22. November 2014 auf herzliche Einladung des Leipziger Oberbürgermeisters Burkhard Jung im Leipziger Neuen Rathaus. Vorstand und Beirat sowie die Regionalen Sprecher der Vereinigung hielten bereits am Vorabend in der Deutschen Nationalbibliothek ihre Gremiensitzungen ab.
Um mehr Zeit für Diskussionen um zukünftige Akzentsetzungen der Vereinsarbeit zu haben, begann die Mitgliederversammlung in diesem Jahr schon am Samstagvormittag. Wolfgang Tiefensee erläuterte zu Beginn, dass es in keiner Weise darum gehe, die Kernarbeitsgebiete der Vereinigung zu schmälern oder abzubauen. Das Erinnern an die NS-Diktatur und das DDR-Unrecht, die Bekämpfung von politischem Extremismus und die Stärkung von politischer Teilhabe und Demokratie seien nach wie vor die Fundamente der Arbeit von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.
Es gehe aber darum, zusätzliche, auch kontroverse Themen aufzugreifen und zu diskutieren, um bundesweit mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Akzentsetzung sei aber kein starres Programm, das in allen Regionalen Arbeitsgruppen Punkt für Punkt „abgearbeitet“ werden müsse. Die Arbeit vor Ort sei, so der Vorsitzende, dadurch geprägt, dass die ehrenamtlich Tätigen aus dem Spektrum von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. einige Themen herausgreifen, die für ihre lokalen Bedürfnisse, Interessen und Kapazitäten besonders geeignet sind.
Moderiert von Vorstandsmitglied Dr. Ulrich Mählert wurden drei Schwerpunktthemen diskutiert, auf die sich Regionale Sprecher, Vorstand, Beirat und Mitglieder in einem mehrstufigen Verfahren im Vorfeld der Mitgliederversammlung verständigt hatten. So wurden, eingeleitet von jeweils einem kurzen Statement, die Themen Demokratieentwicklung, „Europa immer mitdenken“ und Migrationsgeschichte diskutiert. Deutlich sei geworden, sagte Ulrich Mählert in seiner Zusammenfassung der Diskussionsergebnisse, dass Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. zukünftig noch stärker zum Anwalt der parlamentarischen Demokratie werden sollte. Erfreulich sei auch, dass es einige sehr konkrete Ideen gegeben habe, die man 2015 umsetzen könne.
Auf der Mitgliederversammlung wurde mehrfach die Problematik der Flüchtlinge angesprochen. Auch Wolfgang Tiefensee ging in seiner Rede am Nachmittag darauf ein und stellte fest, dass auf die Frage, wie mit Flüchtlingen in Deutschland umgegangen werden soll, noch keine befriedigende Antwort gefunden wurde. Alarmierend sei, dass nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung 44 Prozent der Befragten Flüchtlinge negativ bewerten und ihnen abwehrend gegenüber stehen. Diese Ängste abzubauen, sei auch für die Vereinigung eine schwierige Aufgabe, der man sich stellen müsse. Für den Einzelnen sei es wichtig, nicht sprachlos zu bleiben, wenn z.B. diskriminierende Worte fallen, so der Vorsitzende.
Bei den anstehenden Wahlen des Vorsitzenden und des Vorstands wurde der Vorsitzende, die beiden stellvertretenden Vorsitzenden Eberhard Diepgen und Prof. Dr. Bernd Faulenbach und die übrigen Mitglieder des Vorstands in Ihrem Amt bestätigt. Neu in das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden wurde Frau Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin a.D., Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, gewählt. Sie wurde Nachfolgerin von Frau Cornelia Schmalz-Jacobsen, die seit 2003 das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden innehatte und nicht mehr zur Wahl antrat. Wolfgang Tiefensee dankte Ihr in einem eigenen Tagesordnungspunkt für ihr langjähriges und vielfältiges Engagement in der Vereinigung.
Im Anschluss an die Mitgliederversammlung fand am Samstagabend die Verleihung des Preises „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ und des Waltraud-Netzer-Jugendpreises statt. Der Preis „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ wird seit 2005 vergeben und wird von der Frauke-Weber-und Rainer-Braam-Stiftung gestiftet. Der Waltraud-Netzer-Jugendpreis wird seit fünf Jahren Preis von der Gesundheits-betriebe Dr. Nikolaus Netzer Verw. GmbH. Gestiftet. Geehrt wurden die Regisseurinnen Yasemin und Nesrin Şamdereli für Ihren Film „Almanya – Willkommen in Deutschland“ (siehe S. 12-13 in diesem Heft) sowie das internationale Jugendworkcamp „Belarus“. Vorstandsmitglied Christoph Heubner lobte in seiner Laudatio den Einsatz junger Menschen der Evangelischen Jugend Bünde-Ost, die sich für die Verständigung zwischen Deutschen und Weißrussen engagieren. Die Workcamps finden seit 1996 jährlich in Weißrussland statt. Die deutschen Jugendlichen renovieren und erneuern alte Häuser und helfen so ganz konkret hilfsbedürftigen Menschen. Dabei geht es um Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs, die niemanden mehr haben, der sich um sie kümmert, und auch um Betroffene, die aus den Gebieten um Tschernobyl umsiedeln mussten. Projektleiterin Ulrike Jaeger sagte „Die Jugendlichen haben bisher 130 Menschen zwischen 70 und 100 Jahren ein schöneres Wohnen ermöglicht.“ Beide Seiten, so Ulrike Jäger, würden sich durch diese Begegnungen verändern. „Wenn wir zurück fahren, sind wir oft die Beschenkten“, stellte sie fest. Der Schüler Sönke Tiesmeier, der zum ersten Mal 2014 mit nach Weißrussland fuhr, bestätigte dies und sagte: „Aus meiner ersten Weißrusslandreise soll auch mindestens noch eine zweite werden.“
Am Sonntagmorgen nahmen zahlreiche Mitglieder die Gelegenheit wahr, mit dem Vorsitzenden und ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee auf den Spuren der friedlichen Revolution durch Leipzig zu gehen. Dabei hatten Interessierte auch die Möglichkeit, das Leipziger Schulmuseum zu besichtigen und mit der Leiterin Elke Urban zu sprechen.
Viele Mitglieder äußerten sich auf und nach der Mitgliederversammlung positiv darüber, dass durch den veränderten Tagungsablauf in diesem Jahr mehr Platz für Diskussionen eingeräumt worden war. Nun gelte es, so ein Mitglied, die beschlossenen und diskutierten Akzentsetzungen in die Vereinsarbeit zu integrieren, ohne die Kernziele von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. zu vernachlässigen.