Das DDR-Museum Pforzheim – ein Museum wandelt sich zum "Lernort Demokratie"

Ausgangslage

"Eine Demokratie ist nicht einfach da – und vor allem – sie bleibt nicht von allein" (Joachim Gauck) Mit diesem Satz im Kopf wurde im Jahr 2012 damit begonnen, mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und vielen weiteren Stiftern die Stiftung "Lernort Demokratie – Das DDR-Museum Pforzheim" zu gründen, um nach dem Tod des Sammlers Klaus Knabe das Museum mit über 3.000 Objekten und über 4000 Büchern für die Zukunft zu erhalten.

Dieses einzige derartige Museum im Westen Deutschlands bringt die Geschichte der deutschen Teilung tief in den Südwesten, nach Pforzheim. Gerade weil dieser Ort fernab der ehemaligen innerdeutschen Grenze liegt, ist es eine besondere aber auch unerlässliche Herausforderung, über die Geschichte der beiden deutschen Staaten, der zweiten Diktatur auf deutschen Boden und der Friedlichen Revolution aufzuklären.

Die derzeitige Dauerausstellung ist in Form und Umsetzung inzwischen in die Jahre gekommen und entspricht nicht mehr den heutigen pädagogischen und musealen Erfordernissen. Deshalb hat eine Gruppe sachkundiger Menschen, die ehrenamtlich am Museum arbeiten, im Juli 2013 begonnen, die Ausstellung neu zu konzipieren. Dies geschah in vielen Workshops zusammen mit der jungen Kulturhistorikerin Florentine Schmidtmann, (befristete Anstellung bei unserer Stiftung) die sich bereits im Studium auf DDR-Geschichte spezialisiert hat, und dem Ausstellungsdesigner Martin Tertelmann aus Stuttgart. Dabei ergänzten sich die Erinnerungen der Zeitzeugen mit dem Fachwissen pensionierter Historiker auf produktive Weise.

Das Projekt

Nicht eine enzyklopädische Darstellung der gesamtdeutschen Geschichte ist das Ziel – eine Internet affine Generation weiß dies heute online nachzulesen. Es soll ein emotionaler Zugang geschaffen werden zu einem Gesellschaftssystem, das Menschen zu einem uniformierten Denken zwang, Menschrechte und Rechtsstaatlichkeit mit Füßen trat und die persönliche Freiheit des Einzelnen missachtete.

In drei Stockwerken eines Gebäudes der ehemaligen französischen Besatzung stehen der Ausstellung insgesamt 14 Räume auf 412 m² zur Verfügung. Übergreifende Themen sind die Grundlagen zur Geschichte und Leben in der DDR, Jugend im durchherrschten System, Ost-West-Kontakte, Grenzüberquerungen, Ankommen im Westen, die Friedliche Revolution und das wiedervereinigte Deutschland. Diese Themen werden ausdifferenziert und mit Objekten und Bildern veranschaulicht, die jeweils ihre eigene Geschichte erzählen. Kurze Texte erläutern dies. Ein großer Touchscreen und Tablet PCs sollen den Besuchern ermöglichen, vertiefende Informationen abzurufen. Authentische Zeitzeugenberichte, werden medial in die Ausstellung eingebettet. Im Kellergeschoß, das aus finanziellen Gründen noch nicht vollständig neu konzipiert werden kann, werden die Stasi, Strafvollzug und Haftbedingungen thematisiert.

Zwei Aspekte der neuen Ausstellung widmen sich explizit dem besonderen Standort des Museums im Südwesten und verleihen ihm ein Alleinstellungsmerkmal. Da ist zum einen das Ankommen von DDR-Bürgern, Flüchtlingen und heraus gekauften Menschen in der alten Bundesrepublik. Wie verlief ihre Ankunft, welche Erwartungen und Hoffnungen erfüllten sie und wie wurden sie wiederum hier aufgenommen?

Zum anderen soll anhand von lokalgeschichtlichen Bezügen gezeigt werden, dass die Geschichte der DDR nicht an der ehemaligen innerdeutschen Grenze aufhörte. Ganz im Gegenteil bestanden während der vierzigjährigen deutschen Teilung diverse Kontakte zwischen Privatpersonen, Kirchengemeinden und Unternehmen in West und Ost. In Interviews berichten Menschen aus der Region in der Ausstellung von ihren Reiseerfahrungen in die DDR.

Als "Lernort Demokratie" dient die Vergangenheit als Ausgangspunkt um nach Vorne zu blicken und unser Verständnis von Demokratie zu hinterfragen. Insbesondere für junge Menschen soll das Museum künftig ein Ort sein, an dem offen über aktuelle und vergangene Krisen, Probleme und Herausforderungen gesprochen und diskutiert wird. Damit wollen wir zur Reflexion über die Werte anregen, die heute Grundlage ihres Lebens in Deutschland sind: die Möglichkeit zu sagen, was sie denken, – die Freiheit, zu leben wie sie wollen, zu reisen, wohin es sie drängt, – und die Gewissheit zu haben, in einem Rechtsstaat zu leben, vom Staat geschützt und nicht verfolgt zu werden.

Pforzheim ist eine Stadt mit einem besonders hohen Anteil an Jugendlichen ausländischer Herkunft. Häufig genug haben sie oder ihre Eltern selbst in totalitären Systemen gelebt. Ihnen die gesamtdeutsche Geschichte und unseren Staat als freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat zu vermitteln, begreifen wir als besondere Herausforderung und als Beitrag zur Völkerverständigung im Inland.

Die neue Dauerausstellung im DDR-Museum Pforzheim soll am 25. Jahrestag der Deutschen Einheit, dem 3. Oktober 2015, der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Birgit Kipfer, Januar 2014