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Stille Helden. Vortrag von Professor Dr. Wolfram Wette:

Donnerstag, 22. Oktober 2015

In seinem Vortrag schildert Wolfram Wette die Situation der jüdischen Flüchtlinge während der NS-Zeit im Dreiländereck. Der Südwesten Deutschlands, an den Landesgrenzen von Baden, Frankreich und der Schweiz bot für viele verfolgte Juden eine letzte Hoffnung, in die Freiheit zu entkommen. Etwa 30 000 Flüchtlinge wurden an der Schweizer Grenze abgewiesen, was für die meisten von ihnen Deportation und Tod bedeutete, doch schätzungsweise ebenso vielen Verfolgten soll die Flucht in die Schweiz gelungen sein mit der Hilfe von Bewohnern der Region zwischen Bodensee und Basel. Eine Flucht konnte in der Regel nur erfolgreich verlaufen, wenn es auf der deutschen wie auf der schweizerischen Seite ortskundige und solidarische Menschen gab, die halfen. Es waren nicht viele, doch mehr als bisher angenommen.

Dass die Judenretter ganz normale Menschen waren, belegt Wette anhand der "stillen Helden" aus dem Dreiländereck. Sie waren Pfarrer, Bauern, Arbeiter, deren Namen kaum jemand kennt. Die neuen Erkenntnisse verdanken wir meist jüngeren Historikerinnen und Historikern, die biographische Portraits und Skizzen von Retterinnen und Rettern erstellt haben: unter anderem der Caritas-Mitarbeiterin Gertrud Luckner und des Jesuitenpaters Heinrich Middendorf, der Regimegegnerin Luise Meier, der Metzgerei-Angestellten Maria Hartmann und des KZ-Kommandant Erwin Dold. Sie fanden sich nicht wie die meisten Mitläufer damit ab, dass man doch nichts machen könne, sondern nutzten ihre Handlungsmöglichkeiten vor Ort.

Angesichts der aktuellen Flüchtlingsströme nach Deutschland wird der Referent auch der Frage nachgehen, wie sie sich von der Flucht verfolgter Juden in der NS-Zeit unterscheiden und wo es Parallelen gibt.

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Wolfram Wette, Jahrgang 1940, studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie. Nach seiner Promotion arbeitete er als Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) in Freiburg im Breisgau. Seit 1998 außerplanmäßiger Professor für Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Universität Freiburg. 2015 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

 

Wolfram Wette ist mit einer Vielzahl von Publikationen zur Geschichte der Wehrmacht, zur historischen Friedensforschung und zu den Hilfen für verfolgte Juden in der Zeit des Nationalsozialismus hervorgetreten. Jüngste Veröffentlichungen: Karl Jäger. Mörder der litauischen Juden (Frankfurt/M., Fischer-TB, 3. Aufl. 2012), Feldwebel Anton Schmid. Ein Held der Humanität. (Frankfurt/M.: S. Fischer Verlag 2013); Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter, 1939-1945 (Donat-Verlag, Bremen , 2. Aufl. 2015), und: Stille Helden. Judenretter im Dreiländereck während des Zweiten Weltkrieges (Herder-Verlag, Freiburg, 2. Aufl. 2014).