Veranstaltungen

Vortrag: "'ein umkämpftes Buch'' - Der Ukraine-Roman Wehrbauer Burglinger von Hans Eisen zwischen nationalsozialistischer Kriegspropaganda und Zensur"

Mittwoch, 06. September 2023, 18:30 Uhr

Wissenschaftliche Stadtbibliothek, Rheinallee 3B, 55116 Mainz

Dies ist eine Veranstaltung von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., Regionale Arbeitsgruppe Rheinland-Pfalz, in Kooperation mit: Wissenschaftliche Stadtbibliothek Mainz

Literarische Zensur im "Dritten Reich" wurde bisher vor allem als Herausforderung für das Schreiben und Publizieren oppositioneller Autoren untersucht. Kaum bekannt ist hingegen, dass auch dezidiert nationalsozialistische Literatur einer rigiden Überwachung unterworfen war. Der Zensurfall des Kriegsromans Wehrbauer Burglinger von Heinrich Eisen, der 1944 im Zentralverlag der NSDAP erscheinen sollte, nach Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Schrifttumsinstanzen jedoch unterdrückt wurde, ist ein Beispiel für die regimeinternen Konflikte um Propaganda und Kommunikationskontrolle im Kontext des "totalen Krieges".

Das Buch selbst, zu dem lediglich die Gutachten überliefert sind, handelt von der landwirtschaftlichen Verwaltung und militärischen Verteidigung des 1941/42 von der Wehrmacht eroberten sowjetisch-ukrainischen Gebietes, das den Deutschen nach Vorstellungen der NS-Führung als zu kolonisierender "Lebensraum" dienen sollte. Mit der Schilderung des Einsatzes einer Gruppe "landwirtschaftlicher Sonderführer" hinter der Front sollte der Roman der kriegsmüden Heimat "einen Spiegel vorhalten" und sie zum Durchhalten bewegen. Obwohl der Roman dem Verlagsdirektor Max Amann vonseiten des Verlagslektors wie auch des Zentrallektorats als "nationalsozialistisches Standardwerk" empfohlen wurde, gelang es dem NS-Führungsstab im Oberkommando der Wehrmacht bei Amann gegen eine Veröffentlichung zu intervenieren – mit der Begründung, das Buch sei "untragbar".

Wie konnte es zu solch unterschiedlichen Einschätzungen innerhalb des NS-Literaturapparates kommen? Noch dazu bei einem Autor, der sich mit seinem Roman "Die verlorene Kompanie" (1943) bereits als erfolgreicher NS-Schriftsteller erwiesen hatte? 

Dr. Tobias Christ beleuchtet die zensurpolitischen Hintergründe und die Zusammenhänge zwischen Kriegsgeschehen und literarischer Fiktionalisierung, die zur Unterdrückung der Buches führten und gibt damit einen Einblick in die interne Funktionsweise von NS-Literaturpropaganda und Zensur.