Dies ist eine Veranstaltung von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., Regionale Arbeitsgruppe Südhessen, in Kooperation mit: Stadtarchiv Darmstadt, Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Darmstädter Geschichtswerkstatt e.V.
Vor genau hundert Jahren brachte eine schier endlose Mordserie die erste deutsche Demokratie an den Rand des Untergangs. Knapp 400 Menschen starben in nur vier Jahren, das Motiv der Täter war „Deutschland“. Diese Vorgänge gipfelten im spektakulären Attentat auf Außenminister Walther Rathenau, der auf offener Straße und am helllichten Tag mitten in Berlin erschossen wurde.
Die Mordorganisation „Consul“ und ihre Hintermänner sind heute vergessen, dabei ist mit ihnen ein Phänomen nach Deutschland gekommen, das uns nicht wieder verlassen hat. Wir leben im Zeitalter des Rechtsterrors, aber keiner weiß mehr, wie es begann, und was uns das heute zu sagen hat. Florian Huber erzählt diese Geschichte von politischen Träumen und Alpträumen Anfang der 20er Jahre, die sich über eine Zeitspanne von vier Jahren ereignet hat.
Das ist weit mehr als eine Fußnote der Geschichte, denn die rechtsextremistischen Verschwörer gegen die Republik von Weimar hatten dieselben Ressentiments, Motive und Ziele wie die Rechtsterroristen unserer Tage. Sie waren Menschen, die ihre Heimat verloren glaubten und in ihrer Zeit kein Lebensziel fanden. Die sich überflüssig fühlten und aus dieser Leere dem „System“ den Krieg erklärten. Viele Züge der geheimen „Organisation Consul“, der ersten deutschen Terrorbewegung, finden wir in unserer Gegenwart wieder. Ihr besessener Männlichkeitskult begegnet uns in heutigen Kampfzellen. Ihr Ziel, die Republik zu stürzen und die Demokratie abzuschaffen, verfolgten auch die Mitglieder des NSU und der „Gruppe S.“. Der kalte Professionalismus der Hauptfiguren weist auf Extremtäter wie Anders Breivik, den Christchurch-Attentäter Brenton Tarrant oder den Mörder von Hanau, ihre Taten nehmen die Anatomie von politischen Morden wie den an Walter Lübcke vorweg. Die Rolle rechtsextremer Parteien im Reichstag von damals erinnert an heutige Rechtsparteien wie die AfD.
In der Wiederkehr von Denkweisen, Sprachfiguren, Feindbildern und Atmosphären, auch in der Gewöhnung an das Skandalöse erkennen wir die Züge unserer eigenen Zeit. Wenn sich Geschichte also wiederholt, dann in Milieus und Mentalitäten, in Strukturen und Netzwerken, die in den letzten hundert Jahren nie verschwunden und jederzeit möglich sind.
Florian Huber, geboren 1967, promovierte als Historiker zur Besatzungspolitik der Briten in Deutschland. Er ist der Autor von historischen Büchern wie dem Bestseller Kind, versprich mir, dass du dich erschießt. Der Untergang der kleinen Leute 1945, der in zahlreiche Sprachen übersetzt und von der Times unter die besten historischen Bücher des Jahres 2019 gewählt wurde. Als Filmemacher hat Florian Huber preisgekrönte Dokumentarfilme zu zeitgeschichtlichen Stoffen produziert, darunter den Mauerfall, das mysteriöse Ende des Dichters Antoine de Saint-Exupéry sowie die Illusionen des Westens im Umgang mit Wladimir Putin.
Florian Hubers Buch „Rache der Verlierer – Die Erfindung des Rechtsterrors in Deutschland“ ist 2020 im Berlin Verlag erschienen.
Der Veranstaltungsflyer kann als PDF runtergeladen werden.