Laszlo „Leslie“ Schwartz (85) wurde 1944 aus seiner ungarischen Heimat in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Damals war der heutige US-Amerikaner erst 14 Jahre alt. Gestern war er als einer der letzten überlebenden Zeitzeugen zu Gast in der Lornsenschule, um dort den Schülern der Geschichtsprofile Q1F und Q1G von seinem Überlebenskampf zu erzählen.
Am 12. Januar 1930 wurde Leslie Schwartz in einer ungarischen Kleinstadt als Sohn jüdischer Eltern geboren. Sein Vater starb, als Leslie acht Jahre alt war. In Auschwitz wurde der Junge dann von seiner Mutter und beiden Schwestern getrennt. Er selbst entging der Vergasung, wurde aber zur Zwangsarbeit in die „Kinderbaracke“ geschickt. Dank der Hilfe eines Jugendfreundes gelangte Leslie zunächst in das Arbeitslager Birkenau und landete schließlich im KZ Dachau. Während seiner Zeit in Gefangenschaft lernte er Deutsch, heute spricht der langjährige New Yorker allerdings hauptsächlich auf Englisch.
Als Reaktion auf die näher rückenden Alliierten wurde er am 27. April 1945 als einer von über 3600 Häftlingen mit dem Zug aus Dachau abtransportiert. Bei einem Zwischenstopp konnten einige Gefangene entkommen, da sich viele der Wachen auf ein Gerücht hin, der Krieg sei bald vorbei, aus dem Staub gemacht hatten. Leslie kam kurzzeitig auf einem Bauernhof unter. Aber bereits kurze Zeit später wurde er von Soldaten aufgegriffen und – wie viele andere Gefangene auch – in den Zug zurückgetrieben. Dabei wurde der Junge von einem Schuss in den Hals getroffen. Die Überlebenden wurden schließlich in der Nähe des Bahnhofs Tutzingen von amerikanischen Truppen befreit. Danach wurde Leslie in einem Militärlazarett behandelt. Nach seiner Genesung beschloss er, zu seinen Verwandten in die USA auszuwandern. Dort lebt er seitdem, mittlerweile in zweiter Ehe, mit der Münsteranerin Annette.
„Diese Dinge direkt von einem Zeitzeugen zu hören, ist noch einmal deutlich eindrucksvoller als von einem Lehrer“, fand Marieke Jäger (17). Sie und ihre Mitschüler zeigten sich beeindruckt von dem heute so glücklich wirkenden Leslie Schwartz. Dieser betonte immer wieder, wie wichtig seine späteren Besuche in Deutschland für seinen Heilungsprozess gewesen seien. In dem ebenfalls gezeigten Dokumentarfilm „Der Mühldorfer Todeszug – Begegnungen gegen das Vergessen“ besucht er zusammen mit einigen Schülern noch einmal die Schauplätze der Zugfahrt und trifft unter anderem die Kinder der Bauernfamilie, die ihn versteckt hatte, wieder. Maylin Sörensen (17) musste gestehen: „Das ist alles echt heftig. Als er sich im verlassenen Wagon von seiner Familie verabschiedet hat, musste ich eine Träne unterdrücken.“ Am Ende waren sich alle einig: Es ist nach wie vor wichtig, über diese Geschehnisse zu sprechen.
Begleitet wurde Leslie Schwartz von Dolmetscher Aaron Jessen, Mitarbeiter der Jugendbildungsstätte Scheersberg. Diese ist als Sektion Schleswig-Holstein Mitglied des unabhängigen Vereins „Gegen Vergessen – für Demokratie“, der sich seit 1993 für die Erinnerung an NS- und SED-Verbrechen einsetzt. Schwartz erklärte sich dieses Jahr erneut ehrenamtlich bereit, vor Schülern zahlreicher deutscher Schulen zu sprechen. Sein Besuch in Deutschland dauert noch bis Anfang Oktober an.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Schleswiger Nachrichten