Die Simon-Snopkowski-Preisverleihung 2012 am 18.10. im Kaisersaal der Münchner Residenz

Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition e. V., www.juedischekulturmuenche.de

„Unser Anliegen ist es, nicht nur Geleistetes anzuerkennen sondern insbesondere junge Menschen zu motivieren, sich mit der gemeinsamen Geschichte zu beschäftigen, sie müssen Eigenverantwortung lernen und sich eine eigene Meinung bilden können. Die Schule muss ein Lernort von Geschichte und nicht nur Computer-Institut sein“. Mit diesen Worten eröffnete Ilse Ruth Snopkowski, die Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition, die Verleihung des Simon-Snopkowski-Preises 2012.

Wie vielversprechend sich dieses Anliegen seit Gründung des Preises 2006 weiterentwickelt hat, zeigte sich bereits bei der Vorauswahl der Projekte anhand deren Qualität und Vielfalt.  In Anwesenheit des Ministerpräsidenten wurden  in diesem Jahr erstmalig gleich drei Schulen ausgezeichnet sowie eine Schüler-Einzelbewerbung. Von letzterer tief beeindruckt zeigte sich die hochkarätig besetzte Festgesellschaft bei der Auszeichnung des Brüderpaares Mehling, als Oliver Mehling schilderte, wie er mit seinem Bruder anhand weltweiter Internet-Recherchen und Korrespondenzen einen antisemitischen Eklat von 1930 in ihrer Heimtatstadt Würzburg erforscht und auf einer Website dokumentiert hat. Die Nachhaltigkeit des Simon-Snopkowski-Preises spiegelt auch die Arbeit der Schüler/Innen des Gymnasiums Marktbreit wieder, die eine längst vergessene Synagoge in Obernbreit virtuell rekonstruiert und als Kulturzentrum wiederbelebt haben.               

Für die eindrucksvolle Veröffentlichung der Erforschung des kaum bekannten KZ-Außenlagers Obertraubling als Dokumentarfilm und Buch, das demnächst auch in englischer Sprache veröffentlicht wird, wurde das Gymnasium Neutraubling ausgezeichnet.

Wie ein alter Judenstein im Gemäuer ihrer Regensburger Realschule sie zu einer umfassenden Bestandsaufnahme jüdischen Lebens in ihrer Stadt angeregt hatte, schilderte die junge Sprecherin der erstplatzierten Schülergruppe. Aus dieser Forschungsarbeit entstanden eine Vielzahl von Projekten, darunter eine Ausstellung, die die Besucher des Festakts im Foyer zum Kaisersaal der Residenz empfing.

Mit Dr. Hans Jochen Vogel und Dr. Bernd Vogel wurde auch mit dem Ehrenpreis ein Bruderpaar ausgezeichnet, dass es sich nicht nehmen lies, jeder für sich auf die Wichtigkeit eines solchen Engagements gerade seitens junger Leute hinzuweisen. Mit großer Offenheit schilderte Dr. Hans-Jochen Vogel, wie er sich in jungen Jahren von NS-Regime als Hitlerjunge hatte vereinnahmen lassen und umso mehr die Arbeit dieser jungen Preisträger schätze. „Nie wieder“ lautet in diesem Zusammenhang eine seiner Maxime und solche Forschungsarbeiten bieten dafür eine wichtige Grundlage. Diese Einschätzung fand sich auch in der Rede seines Bruders wieder, wie auch in der Laudatio auf die Ehrenpreisträger Vogel von Professor Heinrich Oberreuter.

„Zuversicht trotz allem“ war die Lebenseinstellung des Preis-Namensgebers Dr. Simon-Snopkowski sel. A. In dieser Haltung hatte er 1981 die Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition ins Leben gerufen. Wie erfreut er sich über die Preisträger 2012 gezeigt hätte, wurde gleich von mehreren der Festredner betont. Und zuversichtlich sehen seine Witwe und Nachfolgerin Ilse Ruth Snopkowski und die Gesellschaft dem nächsten Simon-Snopkowski-Preis 2014 entgegen.

 

Beschreibung der im Jahr 2012 mit dem Simon-Snopkowski-Preis ausgezeichneten Projekte von Jugendlichen

Erster Preis für die Staatliche Realschule am Judenstein Regensburg
An dem Projekt „Alles koscher?! – Jüdisches Leben in Regensburg“ hat sich die gesamte Schulgemeinschaft der Regensburger Realschule am Judenstein beteiligt. Höchst engagiert erkundeten Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Studienreferendare unter ihrem Projektleiter Dr. Peter Spateneder in vielseitigen Aktionen die vergangene und gegenwärtige Lebenswelt der Regensburger Juden. Aus der Projektarbeit gingen eine Ausstellung und ein Theaterstück über jüdische Schicksale während der Regensburger Pogrome von 1519 und 1938 hervor, die mit vielen weiteren Aktivitäten verbunden waren. Ein Projekttagebuch verzeichnete die einzelnen Veranstaltungen. Gleichzeitig wurden mit Blick nach vorn Perspektiven für eine positive jüdische Zukunft in Regensburg entwickelt. Wichtigste Ziele waren, durch die Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte und Gegenwart in Regensburg antisemitischen Tendenzen entgegenzuwirken, den konstruktiven Diskurs über ein integratives, gedeihliches Miteinander innerhalb der Regensburger Stadtgesellschaft voranzubringen und damit auch den Bau einer Synagoge für die mittlerweile auf über 1 000 Mitglieder angewachsene Regensburger jüdische Gemeinde zu befördern. Deutlich wurde, dass die gesamte Schulgemeinschaft  bestrebt war, der Regensburger Öffentlichkeit und insbesondere den jüdischen Bürgern ihre geschichtsbewusste Haltung und ihre gegenwarts- wie zukunftsorientierten Zielstellungen in vielen Facetten zu vermitteln und über die eigene Schule hinaus zu wirken.

Den 2. Preis erhielten gleichberechtigt das Staatliche Gymnasium Marktbreit und das Staatliche Gymnasium Neutraubling:

Staatliches Gymnasium Marktbreit
Schülerinnen und Schüler des Projektseminars Geschichte und ihr Lehrer Dr. Josef Endres vom Staatlichen Gymnasium Marktbreit/Ufr. haben das Leben der Juden im Nachbarort Obernbreit erkundet und sich dabei vor allem mit der ehemaligen Synagoge befasst, die 1748 errichtet und 1912 profaniert wurde. Ihr Thema gibt das Projektziel an: „Wiederbelebung einer ehemaligen Synagoge – eine kulturelle Bereicherung für Obernbreit.“ Dank intensiver historischer und denkmalpflegerischer Recherchen konnten sie das ursprüngliche Gebäude maßstabsgerecht in einem Holzmodell nachbauen und als virtuelle Rekonstruktion abbilden. Letztere führt plastisch die ursprüngliche Außenfassade vor Augen und erlaubt einen visuellen Rundgang durch die Innenräume. Hier ist zudem die alte, von dem Projektteam freigelegte Wandbemalung aufgebracht. Dank dieses Vorgehens ist nicht nur der historische Baubestand der Synagoge detailgetreu kenntlich gemacht, sondern auch die Grundlage für eine Restaurierung gelegt, die sich bewusst am historischen Kern des Gebäudes orientieren kann. Nun wird die ehemalige Synagoge restauriert und für kulturelle Veranstaltungen eingerichtet. Gleichzeitig wird ein Zeugnis jüdischer Frömmigkeit bewahrt und die Erinnerung an das Judentum in einer unterfränkischen Landgemeinde neu belebt.

Staatliches Gymnasium Neutraubling
Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrerin Dr. Heike Wolter vom Staatlichen Gymnasium Neutraubling haben sich in unmittelbarer Nachbarschaft ihres Schulorts auf ein zeitgeschichtliches Forschungsfeld begeben, das bis dahin eher als historische Leerstelle galt. Ihre Arbeit war unter dem Titel „‘Wenn der Krieg um 11 Uhr aus ist, seid ihr um 10 Uhr alle tot.‘ - Sterben und Überleben im KZ-Außenlager Traubling“ der Geschichte des Lagers Obertraubling, Außenlager des KZ Flossenbürg, gewidmet, das im Februar 1945 eingerichtet wurde, und erfasste auch die lokalen Nachkriegswirkungen. Profunde Archivforschung sowie die Auswertung von Ego-Dokumenten und Zeitzeugeninterviews standen am Anfang. Entstanden ist daraus ein sehr lesenswertes Buch mit Beiträgen der Projektleiterin und ihres Schülerteams, das zum Teil erstmals gezeigte Bilder enthält. Eine Ausstellung im Museum der Stadt Neutraubling und eine Filmdokumentation begleiteten in wirkungsvoller Weise die Veröffentlichung. Beeindruckt hat die Jury an diesem Beitrag die fundierte Forschungsarbeit auf einem partiell unerschlossenen Terrain, die umfassende Erhellung bislang wenig bekannter Vorgänge und Fakten und die mit den Außenaktivitäten verbundene Auflösung von Erinnerungsblockaden vor Ort.

Sonderpreis für die Brüder Mehling

Zwei Brüder, Fabian und Oliver Mehling aus Höchberg b. Würzburg, zum Zeitpunkt ihrer  Beteiligung am Wettbewerb Gymnasiasten der Jahrgangsstufe 9 bzw. 7, haben in Eigeninitiative einen Beitrag vorgelegt, der die Jury in mehrfacher Weise überzeugt hat. Thema war „‘Bankrott der Ordnung in Würzburg‘ - der Habima-Skandal 1930“. Es ging um das von gewaltsamen Nazi-Protesten gestörte Gastspiel des Moskauer Jüdischen Theaters Habima in Würzburg im November 1930 sowie um das Gerichtsverfahren im Februar 1931 gegen die Gewalttäter und das Urteil. Selbständig haben die jungen Forscher zu dem weithin vergessenen Vorgang Real- und Internetrecherchen angestellt, das Material digital höchst professionell aufbereitet und auf einer eigenen Website festgehalten. So entstand ein in sich stimmiger, exemplarisch geformter Beitrag, dessen Ergebnisse wegen der Präsentation eine besonders für Altersgenossen attraktive Einstiegsofferte in ein nach wie vor brisantes zeitgeschichtliches Thema darstellen. Gleichzeitig steckt in dem Beitrag ein eindringliches Plädoyer gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus. Die Jury hat den zwei Brüdern den Sonderpreis zuerkannt.