8. Mai 1949: Morgenröte der Freiheit

Interview mit Wolfgang Braun in der Rheinischen Post vom 8. Mai 2017

Die Vereinigung "Für Demokratie - Gegen Vergessen" ruft mit einer eher heiteren Bierdeckel-Aktion zum Wählen auf. Gleichzeitig erinnert ihr Sprecher an den Geburtstag unseres Grundgesetzes, ein Tag, der in Vergessenheit geraten ist. Von Peter Klucken

"Ab in die Kabine - WÄHLEN gehen!" mit dieser launigen Aufforderung gehen 7500 Bierdeckel der Duisburger Gruppe von "Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V." in die Verteilung. Auf der Rückseite finden sich die Vier Freiheiten von Franklin D. Roosevelt: Freiheit der Rede und des Gebets, Freiheit von Not und Furcht. Erstmals wurde damit der überparteiliche Verein mit Blick auf Wahlkämpfe aktiv. Ein Gespräch mit Wolfgang Braun, Sprecher der Vereinigung "Gegen Vergessen - Für Demokratie".

FRAGE: Wieso benutzen Sie für Aktion ausgerechnet Bierdeckel?
 
BRAUN: Bei der Gestaltung des Bierdeckels konnten wir auf sehr gute Erfahrungen mit unserem ersten Bierdeckel zurückgreifen. Auf diesem war als Motto für unsere kleine Jugendförderaktion Duisburg plural die Kölsche Lebensweisheit „Jede Jeck is anders“ zu finden. Auf der Rückseite fanden sich etwas gekürzt „Die Vier Freiheiten“ von Franklin D. Roosevelt von 1941. Das Augenzwinkernde – hier die hohe moralische Ebene, dort der tägliche Umgang im geforderten Sinne – hat doch etwas Befreiendes.
 
FRAGE: Hat dies auch etwas mit ihrer Zielgruppe zu tun?
 
BRAUN: Sicherlich! Es sollen vor allem auch diejenigen angesprochen werden, die sich wie es neuerdings so schön heißt, „innerlich abgewandt haben“, die Wahlverweigerer und die Unzufriedenen. Enttäuschte Menschen gewinnen sie aber nicht mit Pathos zurück, das stößt sie nur weiter ab.
 
FRAGE: Wie steht es um die Überparteilichkeit der Vereinigung Für Demokratie – Gegen Vergessen?
 
BRAUN: Hans-Joachim Vogel, unser Gründungsvorsitzender, hat unermüdlich betont, die Überparteilichkeit, die Gemeinsamkeit der Demokraten, sei das entscheidende Band für unsere Vereinigung. In der Tat wäre es das einfachste, in Wahlkampfzeiten als Verein erst gar nicht tätig zu werden. Schließlich sind die meisten unserer Mitglieder auf der einen oder der anderen Seite engagiert. Von daher sind in solchen Zeiten alle Seiten nicht nur nervös, sondern verständlicherweise übernervös. Schließlich hat jeder das Recht, nicht gegen die eigene Sache eingesetzt zu werden. Deutschland plural, wenn man so will. Oder: Auch die Freiheit braucht eine Ordnung. Sonst wird sie zum Faustrecht!
 
FRAGE: Gleichwohl ist jeder Aufruf zu Wahlzeiten eine Gratwanderung...
 
BRAUN: In der Tat! Schriftliche Unterlagen zu erstellen, die zweifelsfrei überparteilich sind, ist kein besonderes Problem. Trotzdem können Aktionen missverständlich gedeutet werden. Oder von dritter Seite werden sie in einen unzutreffenden Zusammenhang gerückt oder sogar Versuche, eine schicke Idee parteipolitisch zu kapern, vorgetragen. Dann würde aus einer überparteilichen Initiative im gemeinsamen Interesse eine getarnte Parteiaktion, würde sich der Verein als Vorfeldorganisation einer Partei oder mehrerer betätigen und so in kurzer Zeit bedeutungslos.
 
FRAGE: Was tun Sie dagegen?
 
BRAUN: Bei aller Vorsicht, bei aller Selbstbeschränkung, ganz lassen sich Fehldeutungen und Instrumentalisierungsversuche nie vermeiden. Letztlich setzen wir nur Impulse. Aber in allen Fällen sind die Befürchtungen oder Beschwerden zu prüfen und wo erforderlich, ein Ausgleich zu ermöglichen. Im Ernstfall ist auch einmal eine Aktion auszusetzen oder im schlimmsten Falle abzubrechen.
 
FRAGE: Wie läuft die Aktion organisatorisch ab?
 
BRAUN: Als Wahlbeteiligungswerbung im Interesse aller demokratischen Parteien haben wir die Startauflage über die fünf anerkannten größeren Parteien (SPD, CDU, Bündnis 90 / Die Grünen, FDP und Die Linke) nach Klärung des Bedarfs verteilt. Mit Bitte um Weitergabe, z.B. an den Wahlkampfständen. Der Rest von 2500 Stück wird an Schulen, Vereine und andere Interessenten ausgegeben. Zudem haben wir mit der Einrichtung eines Netzes von Verteilstellen, Depots für Interessierte, begonnen. In der Buchhandlung Scheuermann auf dem Sonnenwall 45 liegen beide Bierdeckel schon für Interessenten bereit.

Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung der Rheinischen Post
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