von Volker Mall und Harald Roth
25 der 601 im November 1944 von Stutthof ins KZ Hailfingen/Tailfingen transportierten Häftlinge kamen aus Deutschland oder Österreich. 19 von ihnen sind in Hailfingen gestorben, drei in Vaihingen/Enz. Das Schicksal von einem Häftling ist ungeklärt. 17 „reichsdeutsche“ Hailfinger Häftlinge sind vor 70 Jahren nach Riga deportiert worden und zwar:
von Hamburg am 6. Dezember 1941 Erich Littmann,
von Köln am 7. Dezember 1941 Max Leiser und Ludwig Löwenthal,
von Kassel am 9. Dezember 1941 Siegfried Müller und Max Steinhardt,
von Düsseldorf am 11. Dezember 1941 Oskar Wyngard,
von Hannover am 15. Dezember 1941 Arthur Cahn und Philipp Paul Arensberg,
von Münster/Osnabrück am 13. Dezember 1941 Julius Markus und Heinz Wertheim,
von Leipzig/Dresden am 21. Januar 1942 Artur Marchotzki,
von Wien am 26. Januar 1942 Izidor Reichenbaum,
von Berlin bzw. Gut Linden am 1. März 1943 Max Lindenstraus.
Max Steinhardt und Philipp Paul Arensberg wurden am 6. August 1944 von Riga nach Stutthof transportiert. Mit diesem Transport kamen wohl auch fast alle anderen „Reichsdeutschen“:
Max Leiser, Erich Littmann, Julius Markus, Siegfried Müller, Izidor Reichenbaum, Heinz Wertheim und Oskar Wyngard.
Artur Marchotzky und Ludwig Löwenthal kamen erst am 1. Oktober 1944 von Riga nach Stutthof, Arthur Cahn am 14. Oktober 1944.
Paul Philip Arensberg wurde am 9. April 1885 in Alverdissen geboren. Er war verheiratet mit Lotte, geborene Blankenberg, 1906 in Hameln geboren. Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Walter, geboren 1931 in Alverdissen und Judith oder Tana Judis, geboren 1939 in Hannover. Die Familie wohnte in Hannover und wurde am 15. Dezember 1941 von dort ins Rigaer Ghetto verschleppt. Paul Philipp Arensberg kam am 10. August 1944 von Riga nach Stutthof und von dort im November 1944 nach Hailfingen, wo er die Nummer 40 448 erhielt. Wo und wann er starb, ist ungeklärt. Todesort von Lotte Arensberg und ihrer Tochter Tana Judis könnte Riga oder auch Stutthof sein. Walter Arensberg soll in Auschwitz gestorben sein. Ihre Namen sind auf dem Mahnmal in Hannover dokumentiert.
(Quelle: Mitteilung Dr. Peter Schulze vom Stadtarchiv Hannover am 18. Februar 2007. Newsletter Society of Survivors of the Riga Ghetto, April 2008, S. 17.)
Arthur Cahn wurde am 20. August 1902 in Bochum geboren, kam am 15. Dezember 1941 von Hannover nach Riga und am 14.Oktober 1944 nach Stutthof, wo er die Nummer 98 008 erhielt. Über Stutthof wurde er im November 1944 nach Hailfingen (Nr. 40 755) deportiert und starb dort am 19. Dezember 1944. Fiktive Todesursache: Herzschwäche. Er wurde im Krematorium des Friedhofs in Reutlingen eingeäschert.
Max Leiser kam von Riga aus nach Stutthof und von dort nach Hailfingen, wo er am 5. Dezember 1944 starb. Er ist einer der 15 Opfer, die im Krematorium des Ebershaldenfriedhofs in Esslingen eingeäschert wurden. „Max Leiser, geb. 1890 in Kerpen, wohnte in Köln zunächst Lotharstr. 32, dann Spichernstr. 30, verheiratet mit Johanna, geb. Mai 1877 in Bergheim, Kerpen. Sie wurde mit ihrem Mann am 7./8. Dezember 1941 nach Riga deportiert und ist verschollen. Die Tochter Inge Leiser, geb. Oktober 1915, wurde mit den Eltern deportiert und ist verschollen...“ (Auskunft Barbara Becker-Jákli Köln)
„In den frühen Morgenstunden des 7. Dezember 1941 wurden die Opfer von den (Kölner) Messehallen zum Bahnhof Deutz-Tief gebracht...Die Geheime Staatspolizei hatte den ehemaligen Leiter des Kölner Jüdischen Wohlfahrtsamtes, Max Leiser, zum Transportleiter bestimmt.
„Die zehn Gruppenältesten unterstanden dem Lagerältesten Max Leiser. Chef des Arbeitsamtes war Schultz... Schultz und Leiser mussten ihre Meldungen an Krause machen und dieser musste die Anzahl der Arbeiter... an das Reichssicherheitshauptamt weiterleiten.“
„Nach dem Massaker an der lettischen jüdischen Polizei wurde das lettische Ghetto dem deutschen Ghetto angegliedert... Max Leiser war jetzt auch für die lettischen Juden zuständig.“ (Andrej Angrick/Peter Klein, Die „Endlösung“ S. 127, 124 u. 227f.)
Die Suche nach Verwandten von Max Leiser blieb bisher ohne Ergebnis.
Erich Littmann wurde am 10.Dezember 1925 in Hamburg geboren. Beim Pogrom vom November 1938 wurde der Vater Moritz Littmann in Gestapohaft genommen. Im März 1938 soll die Familie nach Shanghai emigriert sein. Erich Littmann wurde allerdings mit seiner Mutter und seiner Schwester am 6. Dezember 1941 von Hamburg aus nach Riga deportiert.
Er wurde über Stutthof am 17. November 1944 nach Hailfingen (Natzweiler Nummer 40 716) transportiert. Von dort kam er mit einem Transport am 14. Februar 1945 ins „Krankenlager“ in Vaihingen/Enz und starb dort am 21. Februar 1945.
(Quelle: Auskunft Kulturbehörde Hamburg, Staatsarchiv, am 31. 7. 2007)
Ludwig Löwenthal wurde am 27. Juni 1906 in Goldbach geboren, wurde am 7. Dezember 1941 von Köln nach Riga deportiert und kam von dort am 1.Oktober 1944 nach Stutthof. Von Stutthof kam er am 17. November 1944 auf den Transport nach Hailfingen (Nr. 40 717).
Gestorben ist er am 28. Dezember 1944, fiktive Todesursache Blutkreislaufstörung. Er wurde im Krematorium des Friedhofs Unter den Linden Reutlingen eingeäschert.
(Quellen:Totenmeldung und Einäscherungsverzeichnis StadtA Reutlingen Rt AdN 1055a.)
Artur Marchotzki wurde am 20. Dezember 1914 in Königsberg als Sohn von Max Marchotzkiund Elsa, geb. Schmidt, geboren. Seine Frau Rita, geb. Fabian, wurde am 10. Juli 1915 in Tilsit geboren. Am 31. Oktober 1937 zog er von Berlin nach Leipzig, seine Frau kam am 2. Dezember 1937 nach. Beide zogen von Leipzig am 25. September1940 in das jüdische Lehrgut „Gut Winkel“. Am 11. Januar 1941 kehrten sie allerdings von dort wieder zurück nach Leipzig und wurden am 21. Januar 1942 mit dem Transport Leipzig-Dresden nach Riga deportiert. Von dort kam Artur Marchotzki am 1. Oktober 1944 nach Stutthof.
In Hailfingen kam er am 19. November 1944 an und starb dort am 15. Dezember 1944 an Herzschwäche – so die fiktiv angegebene Todesursache. Er wurde am 20. Dezember 1944 im Krematorium des Friedhofs in Reutlingen eingeäschert. Seine Frau hat den Holocaust überlebt und ist nach Israel ausgewandert. (Quellen:
Totenmeldung und Einäscherungsverzeichnis StadtA Reutlingen Rt AdN 1055a.
Staatsarchiv Leipzig)
Julius Markus wurde am 16. Dezember 1921 in Mühlheim/Ruhr geboren. Er wurde am 13. Dezember 1941 von Münster-Osnabrück nach Riga deportiert. Über Stutthof kam er im November 1944 nach Hailfingen, wo er am 24. Januar 1945 starb. Er wurde ins Massengrab an der Landebahn des Flugplatzes Hailfingen gelegt und von dort im Juni 1945 auf den Tailfinger Friedhof umgebettet.
Siegfried Müller wurde am 15. Dezember 1907 in Niederstein geboren. Er kam am 9. Dezember 1941 von Kassel nach Riga. Über Stutthof kam er im November 1944 nach Hailfingen, wo er am 18. Januar 1945 starb. Er wurde ins Hailfinger Massengrab gelegt und am 2. Juni 1945 auf den Tailfinger Friedhof umgebettet.
Izidor Reichenbaum wurde am 15. Februar 1896 in Bielitz geboren. Am 26. Januar 1942 wurde er von Wien nach Riga deportiert. Über Stutthof kam er im November 1944 nach Hailfingen. Ob er von Hailfingen über Dautmergen nach Dachau kam, wo er unter der Nummer 26 489 registriert ist, ist unklar. Er wurde am 13. März 1945 in Vaihingen als gestorben gemeldet.
Max Steinhardt wurde 1896 in Witzenhausen geboren. Er heiratete im Mai 1926. Das Ehepaar lebte in Witzenhausen. Am 5. August 1927 wurde die Tochter Marga geboren, 1932 der Sohn Alfred.
Am 9. Dezember 1941 wurde die Familie von Kassel aus nach Riga und am 6. August 1944 von dort in das KZ Stutthof deportiert. Alfred Steinhardt , 11 Jahre alt, kam im September 1944 mit dem letzten Transport nach Auschwitz und wurde dort ermordet.
Max Steinhardt wurde am 17. November 1944 von Stutthof, wo er die Nummer 63 455 hatte, nach Hailfingen deportiert, starb dort zwei Tage nach der Ankunft des Transportes als erstes Opfer am 21. November 1944 und wurde am 25. November 1944 im Reutlinger Krematorium eingeäschert. Als Todesursache gab Stabsarzt Rothe in der Totenmeldung Herzschwäche an.
Heinz Wertheim wurde am 27. Juni 1915 in Gildehaus geboren und wurde am 13. Dezember 1941 von Münster- Osnabrück nach Riga deportiert Über Stutthof kam er nach Tailfingen (Nr. 40 978). Sein weiteres Schicksal ist ungeklärt.
(Quelle: Newsletter Society of Survivors of the Riga Ghetto, April 2008, S. 17)
Oskar Wyngard wurde am 13. Februar 1898 in Lank-Latum (Krefeld-Uerdingen) geboren, kam am 11. Dezember 1941 von Düsseldorf nach Riga. Über Stutthof kam er nach Tailfingen und von dort nach Auflösung des Lagers am 14. Februar 1945 nach Dautmergen, wo er am 7. März 1945 starb.
(Quelle: Gedenkbuch BA Bd. VI, S. 3782)
Volker Mall und Harald Roth sind Mitglieder der RAG Baden-Württemberg, Sektion Böblingen-Herrenberg-Tübingen