Mitteilungen

Ein (weiteres) offenes Ohr für EU-BürgerInnen

Mehr Mitsprache durch die Europäische Bürgerinitiative

von Barbara Weiler MdEP

Politische Mitgestaltung von Bürgerinnen und Bürgern auch außerhalb der offiziellen Wahlen – wer könnte dagegen sein?  Man muss ja nicht extra in die Schweiz schauen, auch bei uns gibt es auf lokaler Ebene vielfältige Modelle:

·         Bürgerhaushalte in Kommunen

·         Referenden beispielsweise gegen die Wasserprivatisierung

·         die Oberammergauer Festspiele

Überall bringen sich engagierte Bürger und Betroffene in politische Entscheidungen ein. Weiter oben wird die Zurückhaltung größer und die Erfahrung spärlicher. Nun kommt eine neue Idee von einer Ebene, von der man es eher nicht erwartet hat: der Europäischen Union. Im Rahmen des Vertrags von Lissabon wurde – auf Initiative des Europäischen Parlaments – eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) beschlossen. Diese nimmt nun Gestalt an und es zeigt sich: Es gibt keine großen Hürden, keine unnötige Bürokratie und keine politische Polemik.


Um eine Europäische Bürgerinitiative einzubringen, muss sie von einer Million Bürger aus mindestens sieben Mitgliedstaaten der EU mitgetragen werden – dabei reicht die Unterschrift und die Unterstützer müssen im wahlfähigen Alter sein. In einem Drittel der Staaten gilt eine Mindestanzahl beteiligter Bürger als Hürde – für Deutschland liegt diese bei 74.250. Bevor die nötigen Unterschriften gesammelt werden, muss der Organisator die Bürgerinitiative bei der Europäischen Kommission anmelden und sinnvollerweise dort angehört werden. Diese kann Initiativen ablehnen, die sich deutlich gegen die Werte der EU richten. Sind alle Unterschriften gesammelt, soll die EU-Kommission Vorschläge für ein Gesetz unterbreiten.


Das Thema der Bürgerinitiative kann ohne Einschränkungen gewählt werden, aber natürlich muss es einen europäischen Bezug haben und im Rahmen der Befugnisse der Kommission liegen.


Transparenz im Hinblick auf die eingebrachten Anliegen ist mir besonders wichtig: Per Internet kann man alle Details einfach erfahren. Die EU-Kommission wird alle EBI auf ihrer Homepage veröffentlichen. Innerhalb von vier Monaten hat die Kommission den Organisatoren außerdem mitzuteilen, wie weiter mit der Initiative verfahren wird.


Mit der Europäischen Bürgerinitiative haben wir einen Weg geschaffen, der den Bürgerinnen und Bürgern den direkten Einfluss auf die Entscheidungen in Europa ermöglicht. Sie haben nun – neben dem bereits bestehenden Petitionsrecht beim Europäischen Parlament und dem Beschwerderecht beim Europäischen Bürgerbeauftragten – drei Varianten, sich direkt an die Gesetzgeber in Brüssel und Straßburg zu wenden. Das neue Instrument könnte zu einem mächtigen Werkzeug der Bürgergesellschaft werden, die das gleiche Initiativrecht erhält  wie das EU-Parlament.
Wir haben in Deutschland und auch in den meisten anderen EU-Staaten keine nationalen Referenden à la Schweiz – aus gutem Grunde. Dennoch, neue plebiszitäre Elemente können unsere Demokratie nur beleben. Momentan übertragen die EU-Mitgliedstaaten die EBI in nationales Recht. Wie wichtig es ist, bei der Umsetzung genau hinzuschauen, konnte erst kürzlich beobachtet werden. Deutschland versuchte, die Kosten, die bei Online-Bürgerinitiativen entstehen, teilweise an die Organisatoren durchzureichen. Damit wäre man auf dem Weg in Richtung besserer Bürgerbeteiligung einen Schritt vor und zwei zurück gelaufen. Unter dem Druck von Abgeordneten und der Zivilgesellschaft landete dieser Vorschlag glücklicherweise wieder in der Schublade. Aus Berlin heißt es nun, dass die EBI spätestens ab dem 1. April 2012 genutzt werden kann. Dann ist der Weg frei für mehr Europa. Ideen gibt es genug: Verbot von Gentechnik, Finanztransaktionssteuer, Tiertransporte, arbeitsfreier Sonntag und, und, und…


Barbara Weiler ist SPD-Europaabgeordnete und Mitglied von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.