Am 27. April um 18:30 Uhr
Ende April 1945 sind Tausende Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau von der SS in Richtung Alpen getrieben worden. Entlang dieses Leidensweges, den mehr als tausend Menschen nicht überlebten, wurden Mahnmäler errichtet. Am Pilgrim-Mahnmal am Landratsamt findet am 24. April um 14.00 Uhr ein Gedenken statt. Anschließend wird die Ausstellung „Euthanasie im Landkreis Starnberg“ von Kreisarchivarin Dr. Friedrike Hellerer im Landratsamt eröffnet. Am 27. April um 18.30 Uhr kommt im Schloß Kempfenhausen die Klaviersonate „27. April 1945“ von Karl Amadeus Hartmann mit Lauriane Follonier am Flügel zur Aufführung. Professor Dr. Marita Kraus gewährt mit ihrem Vortrag "Zwischenwelten" Einblick in die Zeit April und Mai 1945 am Starnberger See.
Landrat Stefan Frey lädt zum Besuch der Veranstaltungen ein: „Gedenkveranstaltungen sind Ausdruck dafür, dass wir Verantwortung übernehmen. Sie sind dem Gedenken an die Opfer gewidmet, sie bekunden Trauer und Leid und sie sollen dazu beitragen, den Anfängen neuen Unrechts wehren zu können. Sie sind auch Ausdruck dafür, dass wir Verantwortung für die jetzt hilfesuchenden Menschen aus der Ukraine übernehmen.“ Die Gedenkveranstaltungen werden vom Landratsamt Starnberg, Rainer Hange vom Verein „Gegen Vergessen für Demokratie e. V.“, Kreisarchivarin Dr. Friedrike Hellerer und den KunstRäumen am See organisiert.
Elisabeth Carr von den KunstRäumen am See „Was wir uns alle nie vorstellen konnten ist am 24. Februar 2022 eingetreten: Es ist Krieg, Krieg in Europa! Ein ganzes Land ist in Bewegung, tausende von flüchtenden Menschen aus der Ukraine suchen Hilfe und Zuflucht. Mit Entsetzen beobachten wir alle die Kriegsberichterstattung in den Medien. Bei älteren Menschen werden Erinnerungen wach, die jeder gern vergessen würde. Vergessen aber ist der falsche Weg! Man muss sich erinnern, um die Greueltaten nie zu vergessen. Wir tragen die historische Verantwortung, dass solche Untaten nie wieder verübt werden.“
Im Schloß Kempfenhausen kommt die Klaviersonate „27. April 1945“ von Karl Amadeus Hartmann mit Lauriane Follonier am Flügel zur Aufführung. Der Komponist Karl Amadeus Hartmann war zusammen mit seiner Frau Elisabeth selbst Zeuge jenes unvorstellbar entsetzlichen "Todesmarsches" geworden: "Am 27. und 28. April 1945 schleppte sich ein Menschenstrom von Dachauer `Schutzhäftlingen´ an uns vorüber - unendlich war der Strom - unendlich war das Elend - unendlich war das Leid." Bereits Anfang des Krieges hatte die junge Familie Zuflucht im Anwesen der Schwiegereltern in Kempfenhausen gefunden. Hartmann, dem zehn Jahre zuvor als junger, äußerst begabter Komponist eine sehr erfolgreiche Laufbahn bevorstehen hätte können, entschied sich jedoch, musikalisch seiner antifaschistischen Haltung konkret und vehement Ausdruck zu verleihen. So war u.a. das Orchesterwerk "Poème symphonique MISERAE" entstanden, gewidmet: "Meinen Freunden, die hundertfach sterben mussten, die für die Ewigkeit schlafen - wir vergessen Euch nicht (Dachau 1933/34) und - in späterer Ergänzung "zum Gedenken ... politischer und jüdischer Verfolgter, die in Dachau ermordet wurden. Absichtsvoll bezeichnete er sich fortan als "Bekenntnismusiker" und schuf in "innerer Emigration" sein großes symphonisches Werk - versteckt im Keller des Reußmannschen Hauses im Lüderitzweg 39.
Konsequent komponierte Hartmann denn auch die "Klaviersonate 27.April 1945". Im unmittelbaren Eindruck des grauenhaften, gespenstischen Anblicks und der unüberhörbaren Akustik unzähliger, von brutalen SS- Schergen vorbei getriebenen und gepeinigten Gefangenen des KZ Dachaus, versuchte er das Unfassbare musikalisch zu verarbeiten und diesem historischen Geschehen am Ende des Krieges, diesem "unendlichen Leid" ein entsprechend unüberhörbares Mahnmal zu setzen. In der Komplexizität des gesamten Empfindungsspektrums von Entsetzen, Wut und Trauer, in seiner maßlosen Betroffenheit, war es ihm gelungen, ein Werk von ungeahnter Tragweite zu schaffen. Das Geräusch der sich dahin schleppenden Schritte, des Klapperns der Holzschuhe, der Gewehrschüsse war verewigt; verdichtet und musikalisch äußerst anspruchsvoll umgesetzt. Als Begründer der Konzertreihe "Musica Viva", die sich bis heute im Besonderen den verbotenen Werken verfolgter Komponisten widmet, zeigt sich Karl Amadeus Hartmann ebenso beharrlich und konsequent.
Lauriane Follonier, gebürtig aus dem Wallis, studierte Klavier bei Prof. Pirner an der Hochschule München. Ergänzend dazu studierte sie Liedgestaltung (u.a. bei Prof. Deutsch). Nach einem Master der „Alten Musik“ tritt sie regelmäßig in Konzerten sowohl auf dem modernen Flügel als auch auf dem Hammerklavier auf; im Juli 2021 war sie als Solistin in Rossinis „Petite messe“ bei den Europäischen Wochen Passau zu hören. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit leitet sie eine Klavierklasse an der Musikschule Starnberg.
Professor Dr. Marita Kraus (Historikerin) gewährt mit ihrem Vortrag "Zwischenwelten" Einblick in die Zeit April und Mai 1945 am Starnberger See.
„Die Welt des nationalsozialistischen Deutschlands, die Welt von Krieg und Gewalt, brach zusammen, die neue Zeit hatte noch nicht begonnen. Die Menschen am Starnberger See erlebten Todesmärsche und "Evakuierungszüge" mit KZ-Häftlingen, letzte Gefechte, amerikanische und französische Besatzung. Nur noch die Standesämter dokumentierten die Toten. Und doch war es eine Zeit der Hoffnung: Endlich war der Krieg vorbei.“