„Weiße Rose“ auch in Hamburg und Cottbus. Vortrag mit unveröffentlichten Zeitzeugenaufnahmen der „Weißen Rose Hamburg“ von und mit Siegmar Faust

Veranstaltungsbericht

Am 23. April 2013 fand um 19 Uhr im Stadthistorischen Museum „Flohburg | Das Nordhausen Museum“ ein Vortrag mit anschließendem Gespräch zur „Weißen Rose Hamburg“ statt. Die Veranstalter, die Stadt Nordhausen und die Regionale Arbeitsgruppe Thüringen der bundesweiten Vereinigung Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., konnten den Berliner Publizisten und Schriftsteller Siegmar Faust für den sehr interessanten Vortrag gewinnen.

Siegmar Faust trug den 22 Besuchern zur Erinnerung Bekanntes über Hans und Sophie Scholl und ihren Freundeskreis aus München vor, verlas auszugsweise Passagen aus dem  3. Münchner Flugblatt von Hans und Sophie Scholl, informierte über  Hamburger Studenten und Intellektuelle, die sich zu einer Interessengemeinschaft zur Pflege schöngeistiger Literatur und einer humanistisch geprägten Bildung zusammen schlossen, nicht vordergründig Widerstand gegen das NS-Regime leisten wollten und ihren Namen „Weiße Rose Hamburg“ 1948 durch Nennung in einem Bericht der VVN Hamburg über den Widerstand gegen das NS-Regime in Hamburg bekamen.

Zentrale Persönlichkeiten in der Hamburger Gruppe, zu der bis zu 50 beteiligte Personen verschiedener Generationen gerechnet werden können, waren die Medizin-Studentin Margaretha Rothe, Albert Suhr, die Philosophie-Studenten Heinz Kucharski, Reinhold Meyer und Karl-Ludwig Schneider, sowie die Buchhändlerin Hannelore Willbrandt. Der Medizin-Studentin Traute Lafrenz und dem Chemie-Studenten Hans Leipelt kam  im Umfeld der „Weißen Rose Hamburg“ eine besondere Bedeutung zu. Anfangs studierten beide an der Universität  Hamburg und führten ihr Studium später an der Universität München fort. Hier kamen Lafrenz und Leipelt in Kontakt mit dem studentischen Widerstand und brachten ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit in ihre Heimatstadt Hamburg, so, u.a., das 3. Flugblatt der der „Weißen Rose“ München:

….. „Und jetzt muß sich jeder entschiedene Gegner des Nationalsozialismus die Frage vorlegen: Wie kann er gegen den gegenwärtigen >Staat< am wirksamsten ankämpfen, wie ihm die empfindlichsten Schläge beibringen? Durch den passiven Widerstand – zweifellos. Es ist klar, daß wir unmöglich für jeden einzelnen Richtlinien für sein Verhalten geben können, nur allgemein andeuten können wir, den Weg zur Verwirklichung muß jeder selber finden.
Sabotage in Rüstungs- und kriegswichtigen Betrieben, Sabotage in allen Versammlungen, Kundgebungen, Festlichkeiten, Organisationen, die durch die nationalsozialistische Partei in Leben gerufen werden. Verhinderung des reibungslosen Ablaufs der Kriegsmaschinerie …., Sabotage auf allen wissenschaftlichen und geistigen Gebieten …...  in Universitäten, Hochschulen, Laboratorien, Forschungsanstalten, technischen Büros. Sabotage in allen Veranstaltungen kultureller Art, die das >Ansehen< der Faschisten im Volk heben könnten. Sabotage in allen Zweigen der bildenden Künste ….. . Sabotage in allem Schrifttum, allen Zeitungen, die im Solde der >Regierung< stehen, …“
(Auszug aus dem 3. Flugblatt der „Weißen Rose“ München, das auch in Hamburg in Umlauf gesetzt wurde)

Das gesamte Flugblatt aus München vervielfältigten die Studenten, teilweise auf abenteuerliche Weise, wie die zwischendurch eingeblendeten Zeitzeugenaufnahmen belegen, und verteilten sie im Kreise von Gleichgesinnten.
Das konnte nicht unentdeckt bleiben!
Von Sommer 1943 bis Januar 1944 verhaftete die Geheime Staatspolizei über 30 der Gruppe zugerechnete Mitglieder. In der Haft in Gefängnissen oder Konzentrationslagern ermordete  man acht von ihnen oder sie starben an Mißhandlungen

Während der Recherchen zur „Weißen Rose Hamburg“ traf Siegmar Faust auf den Namen des Philosophie-Studenten Heinz Kucharski und stellte zu seiner Bestürzung fest, das das bildhafte und fotografische Gedächtnis Kucharskis letztendlich dazu führte, daß nach Belastung durch Kucharski in den Aussagen gegenüber der Gestapo viele Todesurteile gegen Mitglieder der Gruppe ausgesprochen wurden. Wie oben gelesen, fanden acht junge Menschen den Tod. Weitere Todesurteile vollstreckte die Todesmaschinerie  durch Kriegseinfluß nicht. Die Häftlinge mußten immer wieder verlegt werden, so kamen auch einige weibliche Häftlinge der „Weißen Rose Hamburg“ in das damalige Frauen-Zuchthaus Cottbus, in dem auch S. Faust einsaß, bevor sie im Frühjahr 1945 befreit werden konnten.

Damit endet die Recherche zu Heinz Kucharski noch nicht.

Während seines Studiums am Literatur-Institut „Johannes R. Becher“ Leipzig kreuzten sich die Wege von Heinz Kucharski und Siegmar Faust. Faust, politisch unangepaßt und stets seine Meinung sagend, kam ein zweites Mal mit der Institutsleitung in Konflikt und erlebte seine zweite Exmatrikulation. Wie sich herausstellte, trug Heinz Kucharski durch eine entsprechende Aussage wesentlich dazu bei. 
Im Gespräch , nach dem Vortrag, ließ Siegmar Faust erkennen, daß er gegen Kucharski keine Rache-Gefühle hege, er ihm nur leid tut, da er scheinbar nicht aus seiner Haut kommt.

Mit einem Appell an die Vernunft, aufeinander zuzugehen und sich auszusprechen, beendete Siegmar Faust die Abendveranstaltung nach über zwei Stunden.