Stiller Salut fürs Grundgesetz

Erinnerung an 70 Jahre Grundgesetz

Dies ist ein Abdruck eines Artikel, der am 18. Mai 2019 in der Rheinischen Post Duisburg (Seite C6) erschienen ist. Wiedergabe im Einverständnis mit der Redaktion

Duisburg. Die Regionalgruppe der Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ erinnert mit einer humorvollen „Demokratiedeckel“-Aktion an das Jubiläum „70 Jahre Grundgesetz Bundesrepublik Deutschland“.
Von Wolfgang Braun

Wenn Könige geboren werden oder Geburtstag feiern, dann wird – nicht überall, aber vielfach – Salut geschossen. 101 Schuss sind da schon einmal drin. Wenn parlamentarische Republiken ihren Geburtstag feiern, fällt das Zeremoniell – nicht überall, aber vielfach – bedeutend schlichter aus. Nur in der Bundesrepublik Deutschland fällt es fast ganz aus. Und wenn etwas geschieht, wird es vom Staatsbürger im Allgemeinen ignoriert. Dieser Gleichgültigkeit will die Regionale Arbeitsgruppe Rhein-Ruhr West von „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ e.V. mit einem kleinen Kontrapunkt begegnen.
Zum 70. Jubiläumsjahr präsentiert die Gruppe ihre fünf „Demokratiedeckel“ als stillen Salut für 70 Jahre Grundgesetz. Die geschichtlichen Hintergründe seien kurz in Erinnerung gerufen: Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft gesetzt, am 8. Mai 1949 wurde es vom Parlamentarischen Rat verabschiedet. Für die Zeitgenossen damals in beiden Fällen an einem symbolträchtigen Tag: Exakt vier Jahre zuvor hatte am 8. Mai Nazi-Deutschland bedingungslos kapituliert, hatten am 23. Mai britische Einheiten die Reichsregierung Dönitz, Hitlers Erben, inhaftiert. Heute 74 Jahre nach letzterem Ereignis steht der 30. Jahrestag des Mauerfalls vor der Tür, am 9. November 1989 – zugleich der 81. Jahrestag der Pogromnacht von 1938 – wiederum auf den 20. Jahrestag der Ausrufung der Weimarer Republik gelegt. In diesem Stakkato von heiter und düster besetzten Jahrestagen und Ereignissen finden sich Deutschland und die Deutschen immer noch nicht so recht zurecht.

Das sind die fünf Demokratiedeckel
Die Persönlichkeit Jede Jeck ist anders!
Die Beteiligung Ab in die Kabine – Wählen gehen!
Die Entscheidung Wählen! Mit dem Kopf! Und nicht aus dem Bauch!
Die Grundordnung 70 Jahre Grundgesetz – 70 Jahre freie Wahlen
Toleranz Leben und leben lassen.

Dabei wäre es langsam Zeit und es wäre auch langsam möglich. Es ist nur wenige Wochen her, da wurde öffentlich breit diskutiert, den Anstoß hierzu gab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, wie es möglich würde, Herzen und Köpfe der Bürger für den Verfassungspatriotismus zu gewinnen. Es sei doch ein sehr abstraktes Konzept. Ist es – aber es lässt sich veranschaulichen, es lässt sich erfahrbar machen. Im Alltag, jenseits großer Reden. Jedoch nur, wenn die Demokraten werden tätig. Es gibt halt nichts Gutes, außer man tut es. Vor zehn Jahren hat die Regionale Arbeitsgruppe Rhein-Ruhr West der Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ das Fest der Freiheit zum Verfassungstag veranstaltet, ein Weg, der sich inzwischen herumspricht – in einigen Jahren wird es auch Nachahmung finden. Dieses Mal hat die Gruppe ein kleines Angebot für alle: ihre „Demokratiedeckel“. Schon 2014 hatten die Gruppe einen ersten Bierdeckel gedruckt, 2017 einen zweiten (die RP berichtete). Beide Deckel wurden bisher in sehr hoher Auflage in Verkehr gebracht, nochmals in diesem Jahr zur Europawahl, EU-weit vom 23. bis 26.Mai. Die Idee liegt auf der Hand: Die Bürger in ihrer Freizeit ansprechen, mit der kleinen Form und auch mit Humor. In der Gemeinde, dem Sportverein, auf Straßenfesten …
Jetzt wurde die Serie komplettiert. Neben einem Motto und dem Hinweis auf die Pluralität der Träger finden sich im Mittelteil der Vorderseite die Flaggen der vier Gebietskörperschaften – Stadt Duisburg, Land Nordrhein-Westfalen, Bundesrepublik Deutschland, Europäische Union – abgebildet. Auf der Rückseite sind in leicht verkürzter Form die Vier Freiheiten des Franklin D. Roosevelt zu finden – in aufmerksamkeitsfördernder Spiralpräsentation: Die Freiheit der Rede, die Freiheit des Gebetes, die Freiheit von Not und die Freiheit von Furcht. Der kurze Text ruft in Erinnerung: Ein solches grundsätzliches Scheitern der Verantwortlichen hat es in der deutschen Geschichte schon einmal gegeben. Und er ist ein milder Hinweis für die Europäische Union, deren Vier Freiheiten sind nämlich freier Personenverkehr, freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr und freier Kapitalverkehr.
Den Demokratiedeckeln ist es übrigens egal, ob auf ihnen ein Bier, eine Limo oder Brause, ein Glas Cay oder eine Tasse Kaffee, ein Becher Ayran oder halt ein Glas Bourbon, Chardonnay oder Chianti stehen. Wie es Euch gefällt!

Der Autor ist Sprecher der Duisburger Gruppe der Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie“