Bücher sprechen gegen das Vergessen

Über die systematische Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus im Fischer-Verlag

Die Villa ten Hompel durfte gemeinsam mit dem Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. den Fischer-Lektor der Schwarzen Reihe Prof. Walter Pehle begrüßen. Sein Vorhaben war nicht weniger, als die thematische Darstellung der Schwarzen Reihe als Form der Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus in den historischen Kontext des Fischer-Verlages zu setzen. Dem schlimmsten Übel lässt sich nur mit Ironie begegnen. Und so präsentierte sich Prof. Walter Pehle als ambitionierter Satiriker seines Themas.

Der Erstling der Reihe, das „Nürnberger Tagebuch“ von Gustav M. Gilbert wurde bereits 1962 im Fischer Verlag veröffentlicht, sollte nun aber nach dem ästhetischen Feingefühl von Jan Buchholz und Reni Hinsch im schwarzen Kleid neu aufgelegt werden. Schwarz für die Trauer und die weiße, schnörkellose Schrift für Klarheit in der Sache, mit der das Thema behandelt werden muss. Die Idee, dass in Zu-kunft alle Werke im Fischer-Verlag, die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus befassten, in einer Reihe mit Wiedererkennungswert stehen sollten, äußerte sich in Prof. Pehles Weisung: „Mach mal wie den Gilbert“.

Der Fischer-Verlag en Gros ist deshalb so mit seiner Schwarzen Reihe d’accord, da seine Entwicklung eine Folge von Auferstehungen ist, die fortwährend an das Exil gebunden waren. Nach dem Tod des Gründers Samuel Fischer im Jahr 1934 übernahm dessen Schwiegersohn Gottfried Bermann Fischer den Verlag. Die dieser Zeit deutscher Geschichte geschuldete Gefahr brachte ihn und seine Frau zur Auswanderung und mehreren Exilverlagen. (erst Wien, 1938 Stockholm, 1940 dann NewYork). Die Verlage im Exil stellten besonders den jüdischen und emigrierten deutschen Schriftstellern wieder die Veröffentlichung ihrer Werke in Aussicht.

Durch eine große Anzahl von Beispielwerken in den Erzählungen Pehles spiegelte sich das Gesicht der Reihe wider und seine Anekdoten zu den Autoren Raul Hilberg und Ernst Klee verdeutlichten das Bemühen und Anliegen als Lektor. Zu keiner Zeit ging es ihm darum, eine Plattform für wissenschaftlich verstaubte Lektüre zu bieten, noch aus rein ökonomischen Gründen ein Buch dieses Themas zu veröffentlichen. Raul Hilbergs Trilogie zur „Vernichtung der europäischen Juden“ ließ sich schwer verkaufen (was größtenteils dem damalig hohen Preis geschuldet war) und doch – es wurde Stützwerk für das Prinzip „Schwarze Reihe“. Hingegen lehnte Walter Pehle Daniel Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“ damals ab, weil ihn der intentionalistische Impetus des Werkes störte – obwohl es sich gut verkaufen würde.

Vielmehr ging es darum, den Bedarf an Erinnerung zu erkennen und ihm nachzugehen, in all seinen Facetten. So bildet die Reihe eine Vielzahl von Subthemen ab, in denen Erlebnisberichte und Dokumentationen ebenso wie Lexika, Sammelbände neuer Forschungsergebnissen sowie vereinzelt wissenschaftliche Monographien oder Biografien zu finden sind. Und an dieser Stelle sagt Pehle: „Bücher müssen miteinander sprechen“. Sie müssen also inhaltlich aufeinander eingehen, eine Struktur erkennen lassen und dem Leser die Geschichte über ihren eigentlichen Inhalt hinaus erzählen. Das Publikum jedenfalls war sichtlich angetan von den Gesprächen der Bücher und tat es ihnen in der anschließenden Diskussion gleich.