RAG Augsburg-Schwaben wieder aktiv

von Hans Blöchl

Nach einer längeren Phase der ‚Ruhe‘ ist die regionale Arbeitsgemeinschaft Augsburg und Bayrisch-Schwaben wieder aktiviert worden. Dr. Bernhard Lehmann als Sprecher und einige andere Aktiven haben in relativ kurzer Zeit ein ambitioniertes Programm auf die Beine gestellt. Der Verein wurde öffentlich aktiv und schon in kurzer Zeit gelang es auch, neue Mitglieder für Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. zu gewinnen. Besonders erfreulich war, dass zur ersten größeren öffentlichen Veranstaltung unser Vorsitzender Wolfgang Tiefensee nach Augsburg kam und über ‘Opposition im Alltag der DDR‘ referierte.

Auch wenn es manches befreiende Lachen und manches Schmunzeln gab – es war beeindruckend und teilweise bedrückend, was unser Vorsitzender – in Nachfolge des jetzigen Bundespräsidenten Joachim Gauck- Wolfgang Tiefensee den über 50  beeindruckten  Zuhörern im Zeughaus aus dem DDR – Alltag schilderte. Unter dem Titel ‚Opposition im Alltag der DDR‘ zeichnete er anhand seines persönlichen Lebenslaufs das Funktionieren einer Diktatur wie in der DDR nach. „Mit einer Herkunft aus einem ‚christlich-bürgerlichen‘ Elternhaus war  man praktisch von Geburt an verdächtig. Die Weigerung bei den Jungen Pionieren Mitglied zu werden – als einer von zwei Schülern aus 6 Klassen – führte bereits im Kindesalter zu Repressalien und Ausgrenzung.“
Auch die Ablehnung der Teilhabe an der staatlichen Jugendweihe als Ersatz für Konfirmation oder Firmung war ein Teil der Opposition im Alltag und führte zu negativen Folgen. Gleichzeitig, das betonte Tiefensee mehrmals, wuchs daraus aber auch der Mut und die Kraft, gegen den Strom zu schwimmen und sich nicht dem Mainstream anzupassen. Die Nichtzulassung zu Studium trotz erfolgreichen Abiturs hatte auch positive Erkenntnisse zur Folge. Er lernte Fernmeldemechaniker und wusste deshalb durchaus, wie es im ‚realen Arbeitsleben zugeht‘. 
Seine Schwester, die Tierärztin werden wollte, wurde ebenfalls nicht zum Studium zugelassen und musste eine Ausbildung in der Schweinezucht durchlaufen. Seine Weigerung, Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee zu leisten – ein Zivildienst war in der DDR unbekannt – führte ebenso zu Repressalien wie später die Mitarbeit in verschiedensten kirchlichen Foren und Gruppen. Für seine Familie - er ist Vater von 4 Kindern – gab es trotz vieler Diskussionen nie die Absicht, die DDR zu verlassen. ‚8 von 10 Freunden‘ reisten aus, seine Frau und er selbst wollten immer das System von innen verändern.

Tiefensee zeichnete verschiedene  Entwicklungsstränge nach, die letztendlich zur friedlichen Revolution in der DDR geführt hätten. Wesentliche Merkmale waren die Schlussakte der KSZE – Konferenz von Helsinki 1975, ‚die es den Oppositionellen in der DDR ermöglichten, international verbriefte Rechte einzufordern: Auch die Gründung der Solidarnosc in Polen sah er als wichtigen Beitrag zur Unterstützung der DDR – Opposition. Mit den Änderungen unter Gorbatschow in der Sowjetunion wurde auch der Widerstand in der DDR beflügelt.

In der Rolle der Kirchen als Zentren zivilgesellschaftlicher Diskussion, als Ort wo z.B. ‚verbotene‘ Bücher in sog. Umweltbibliotheken gesammelt wurden, und schließlich in den Montagsdemonstrationen sieht Tiefensee die entscheidenden Hebel in der Entwicklung zur Massenbewegung. In der urdemokratischen Forderung ‚Wir sind das Volk‘, die letztendlich zur friedlichen Revolution führte, zeigte sich der Mut der Menschen, für ihre eigene Rechte einzutreten. . Für Tiefensee ist Angst die Basis und der Zement einer Diktatur: die Angst, die Freiheit zu verlieren, aber auch die Angst, sich einzusetzen gegen Willkür und Ungerechtigkeit . Angst führe zu Opportunismus und Anpassung, Mechanismen die immer und auch heute noch wirksam seien.

Auf einen Einwand in der Diskussion, dass Menschen auch heute Angst vor sozialer Not und sozialem Abstieg hätten, betonte er die Notwendigkeit, diese Ängste ernst zu nehmen, weil sie durchaus auch eine Gefahr für die Demokratie bedeuten würden.  Tiefensee machte aber auch klar, dass eine Gleichsetzung mit den Ängsten wie in einer Diktatur à la DDR nicht zulässig sei. ‚Diktatur lebt durch Angst, Demokratie entsteht und lebt durch Mut‘ fasste er zusammen und rief dazu auf ‚sich zu empören, weil auch unsere Gesellschaft noch zu verändern und zu verbessern‘ sei.

Die Regionale Arbeitsgruppe Augsburg-Schwaben hat sich neben der Aufarbeitung des Nationalsozialismus auch den Kampf gegen Rechtsextremismus und die Aufarbeitung der DDR-Diktatur zur Aufgabe gemacht hat, Letztere wird im kommenden Jahr den Schwerpunkt der Veranstaltungen in Augsburg bilden.