PastFinder Berlin - Vergangenes im Heute finden

Buchempfehlung von Wolfgang Lüder

In der Stadt Berlin konzentriert sich an vielen Stellen die Erinnerung an Ereignisse der deutschen Geschichte. Gegenwart und Geschichte überlagern sich vielerorts. Bisweilen gerät die Erinnerungskraft eines Ortes in Vergessenheit. Hier Erinnerung wach zu halten oder auch wach zu rütteln, ist dem "PastFinder Berlin" in hervorragender Weise gelungen. Auf 280 Seiten mit mehr als 750 Fotografien und 25 detaillierten Karten präsentiert Maik Kopleck einen wohl einmaligen Stadtführer. Die kompakten und korrekten Textbeiträge ergänzen die Fotos, verbinden das Buch zu einem Informationswerk über die Diktaturen, die Deutschland im 20. Jahrhundert erlebt hat, einschließlich der Orte, an denen Gegner der jeweiligen Diktatur ihr Leben ließen, was zum Teil in denselben Lagern nacheinander geschah, wie das Beispiel des KZ Sachsenhausen zeigt. Die zahlreichen vielfältigen Gedenkstätten an die  Unrechtsregime und deren Opfer findet der aufmerksame Leser anhand dieses Stadtführers ebenso wie kulturelle Schwerpunkte der Berliner Geschichte und Gegenwart. So lernt er aus dem jüdischen Leben der Stadt sowohl etwas über die Geschichte und Bedeutung der Synagoge in der Fasanenstraße im Westen als auch über die Sozialverwaltung der jüdischen Gemeinde im Ostteil (Rosenstraße) der Stadt, wo die Nazis 1943 fast 2000 Juden, die mit "Nichtjuden" verheiratet waren, interniert hatten.

Die Endphase des 2. Weltkrieges vom Übergang der sowjetischen Truppen über die Seelower Höhen an der Oder bis zum Kampf um den Reichstag wird kurz und trotzdem detailliert dargelegt. Auch bemerkenswerte Details finden ihren Platz in den kompakten Texten. So erfährt der Leser, dass sich Freiwillige der französischen Waffen-SS-Division "Charlemangne" für ihren deutschen Führer verkämpften und nahezu zeitgleich im "Adlon-Bunker" unter dem Pariser Platz zwei kleinere NS-Größen trafen: Josef Neckermann, damals zuständig für die Bekleidung der deutschen Wehrmacht, bot der Luftwaffenpilotin B. Köstlin 100.000 Exemplare der für Soldaten nicht mehr benötigten, aber von ihm bevorrateten Kondome an. Als Beate Uhse erwarb sie diese Kondomladung nach dem Krieg und startete damit ihr Sexshop-Imperium.

Die Fotos auf den dazu gehörigen Seiten zeigen die Zerstörung des Zentrums Berlins, des Reichstages ebenso wie des Liebermann-Hauses. Der PastFinder Berlin dokumentiert  die Unmenschlichkeit der Mauer und die im Grunde trotz aller Trennung doch eine Stadt. Er ist leicht lesbar und lehrreich. Er schildert Geschichte im Stadtbild transparent, lässt die Fotos sprechen und ergänzt sie kurz, knapp und überzeugend.

Für Berliner ist das Buch ein Auskunftswerk über die letzten 300 Jahre ihrer Stadt, zu sehen in der Gegenwart. Besuchern der Stadt oder zukünftigen Besuchern hilft er, Geschichte zu verstehen und die Orte kennenzulernen. Für € 14.90 ist der Reiseführer PastFinder Berlin auch als preiswertes Weihnachtsgeschenk zu empfehlen.

Vilibald P. Barl
PastFinder Berlin
PastFinderVerlag 2011
ISBN 978-988-9978-80-8
280 Seiten, 14,90 EURO

Wolfgang Lüder ist ehemaliger Bürgermeister von Berlin und Vorstandsmitglied von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.