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„Wiedersehen mit Brundibar“

Donnerstag, 5. März 2015

„Wiedersehen mit Brundibar“ im Kommunalen Kino Freiburg (3.3. und 5.3.2015)

 

Im Rahmenprogamm der Ausstellung „Naziterror gegen Jugendliche“, die noch bis zum 27. März 2015 in der Katholischen Akademie Freiburg gezeigt wird, stellte die Filmvorführung von Douglas Wolfsbergers „Wiedersehen mit Brundibar“ einen Höhepunkt dar, zumal an diesem Abend Inge Auerbacher, die das KZ Theresienstadt überlebte, persönlich anwesend war. Inge Auerbacher hatte an zwei Tagen vor fast dreihundert Schülern aus ihrem Leben berichtet.

 

Foto: Wolfgang Dästner

 

Diesem Dokumentarfilm (Premiere am 28. November 2014) gelingt ein außergewöhnlich emotionaler Zugang zum Thema Holocaust durch eine Reihe einzigartiger Persönlichkeiten, denen ein ähnlich hinreißendes Produkt gelungen ist wie Simon Rattle mit dem Strawinskifilm „Rhythm is it“.

 

„Brundibar“ ist eine Kurzoper des jüdischen Komponisten Hans Krása, schon 1938 komponiert und heimlich in einem Waisenhaus in Prag uraufgeführt, die er nach seiner Deportation nach Theresienstadt in den Jahren 1942 bis 1944 mit Kindern des Lagers 55 mal aufführen konnte. Aber nach der letzten Aufführung, die in Teilen auch in dem Nazi-Propagandafilm „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ zur Verwendung kam, wurden alle Mitwirkende im September 1944 in einem Deportationszug nach Auschwitz gebracht. Die Darstellerin der Figur der Aninka, Greta Klingsberg, überlebte als eine der wenigen mitspielenden Kinder und lebt nun seit fast 70 Jahren in Israel.

 

Und diese großartige Persönlichkeit, inzwischen 85 Jahre alt, spielt nun in dem Film „Wiedersehen mit Brundibar“ eine der Hauptrollen zusammen mit jugendlichen Darstellern eines Theaterprojekts an der Berliner „Schaubühne“. Regisseur Wolfsperger konnte die in Israel als Sängerin lebende Greta Klingsberg auffinden und dann zu einer Zusammenarbeit mit der Theaterpädagogin Uta Plate und Jugendlichen der Theatergruppe DIE ZWIEFACHEN gewinnen, einer Gruppe von Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren, die aus schwierigen psychischen und sozialen Situationen kommen und meist in betreuten Wohnprojekten leben. Greta Klingsberg zeigte den Jugendlichen das heutige Theresienstadt, erzählte ihnen von ihren Erfahrungen im Lager und kam zur Premiere der Aufführung 2012 nach Berlin.

 

Die Brücke zwischen den Generationen war spontan tragfähig: Hier begegneten sich Menschen, die fundamentale Lebenskrisen erlebt und überwunden hatten. Gerade deshalb wirken alle Darsteller so wahrhaftig und überzeugend. Dem Filmteam gelingen Szenen und Bilder, die berührend sind, vor allem auch deshalb, weil sie dem Zuschauer immer wieder mit langen Bildeinstellungen Momente der Ruhe und des Besinnens ermöglichen. Die eingeblendeten dokumentarischen Materialien sind eindringlich, um wem bei der Szene mit dem Foto der beiden Schwestern, von denen nur Greta, die ältere, überleben konnte, die Tränen kommen, der braucht dessen sich nicht zu schämen. Auch sorgen die Darsteller dieser Szene mit ihrem tapferen Bewältigen der Trauer um die tote Schwester dafür, dass der lebensfrohe und jugendliche Ton bald zurückkehrt und die Freude über die so vertrauensvolle und kreative Zusammenarbeit am Projekt überwiegt.

 

Greta wird von den Jugendlichen gefragt, ob sie denn irgendwann den Mut verloren habe und sich das Leben habe nehmen wollen. Ihre Antwort: "Ich glaube, wenn man als Kind, wir waren ja noch kleiner als ihr heute seid, auf der Bühne steht und irgendeine Rolle spielt, dann ist man so in dieser Rolle, dass alles andere verschwindet, wenigstens minuten- oder stundenweise."

 

Und diese beglückende Spielfreude überwiegt, auch wenn der Ernst des Themas an keiner Stelle verloren geht. Der Film zeigt mehrere Ebenen: Originalszenen aus Theresienstadt von 1944, sodann die Probenarbeit zur Berliner Schaubühnenversion „Nach Brundibar“ und drittens die Begegnung der Jugendlichen mit Greta Klingsberg in dem heutigen Theresienstadt und in Berlin an der „Schaubühne“. Verzichtet wird auf zu detaillierte Hintergrundfakten, die aber mittels guter Unterrichtsmaterialien nachgeliefert werden und für die schulische Nacharbeit geeignet sind.

 

Dieser Film ist daher geeignet für Jugendliche, die dem Thema Holocaust in der Schule nicht viel abgewinnen konnten. Es wird Lehrern unterschwellig unterstellt, sie seien unfähig zu behutsamem Vermitteln dieser belasteten Thematik. Umso dankbarer kann man sein, dass dem Schulunterricht nun ein so ausgezeichnetes Filmprojekt zur Verfügung steht; denn wo sonst kann man so geeignete Protagonisten finden!

 

Das Freiburger Ausstellungsprojekt „Naziterror gegen Jugendliche“, von Monika Rappenecker (Katholische Akademie Freiburg) betreut, widmet sich dem Thema genau auf dieser Linie eines „anderen“ Unterrichts. Sie lud erneut Zeitzeugen nach Freiburg, die dank der guten Betreuung auch immer wieder hierher kommen. Und mit Inge Auerbacher war eine wunderbar lebendige und auch rhetorisch bestens informierende Theresienstadt-Überlebende an mehreren Tagen tätig: Ihren Ausführungen und dem guten Bildmaterial folgten nahezu 300 Schülern voller Aufmerksamkeit und Respekt.

 

Der Filmabend im Kommunalen Kino schloss, moderiert von Florian Fromm, mit einem Grspräch der Zuschauer mit Frau Auerbacher. Sie betonte, dass sie als damals 9-Jährige diese Oper gesehen habe, aber sie habe kein Wort verstanden, da die Oper in tschechischer Sprache gesungen worden sei. Den Sinn habe sie sehr wohl begriffen, vor allem auch die außergewöhnliche Situation, dass im Alltag eine Unterbrechung eintrat. Und die glückliche Stimmung der Aufführenden sprang über auf die Zuschauer.

 

„Fragt uns bitte jetzt, denn bald sind wir nicht mehr da und können Euch nicht mehr antworten“ - diese Sätze konnten wir Zuschauer von beiden Zeitzeugen identisch vernehmen, und deshalb dürfen wir glücklich sein, dass wir Greta Klingsberg im Film, Frau Inge Auerbacher aber hier in Freiburg persönlich begegnen konnten.

 

WIEDERSEHEN MIT BRUNDIBAR wird sicher noch einmal in Freiburg gezeigt werden, Regisseur Wolfsberger wird den Film vorstellen. Er wurde auf der BERLINALE am 11.2. im Zoo-Palast präsentiert, er ist auch bereits in der Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis. Wir danken den Initiatoren, dass der Film schon jetzt in Freiburg zu sehen war.

 

Wolfgang Dästner