Cornelia Schmalz-Jacobsen: Laudatio auf "Mölln gegen Mölln"

Den diesjährigen Waltraud-Netzer-Jugendpreis erhält das Theaterprojekt „Mölln nach Mölln“ des Vereins „Miteinander leben“. Ich begrüße den Leiter und Initiator, Herrn Sauer, sowie die beiden Theaterpädagoginnen, Frau Nadeshda Gerdt und Frau Annika Goos. Es freut uns, dass der Bürgermeister der Stadt Mölln Jan Wiegels die Gruppe begleitet, und heute zu uns gekommen ist. - Vor allem aber begrüße ich die fünf Hauptpersonen, die jungen Leute, die das Stück tragen: Frida Maaß, Selin Caliskan, Sina Plambeck,  Aylin Yorganci und Ercan Kök.

Im Rahmen des Projekts haben Jugendliche ein Jahr lang unter der Leitung der beiden Theaterpädagoginnen ein Bühnenstück erarbeitet, das die Brandanschläge auf zwei von türkischen Familien bewohnten Häusern, zum Thema hat.

Das Stück hat den Titel „Brandmal“.

Unsere Jury war beeindruckt, mit wie viel Energie und Einfühlsamkeit sich junge Menschen hier auf eine sehr persönliche, und teilweise sicher auch schmerzhafte Spurensuche begeben haben.

Der furchtbare Anschlag von Mölln liegt nun fast 20 Jahre zurück. Damals starben drei Menschen und viele wurden verletzt. Es hatte schon vorher Anschläge auf Asylbewerberheime und auf Ausländer oder fremd aussehende Menschen gegeben – die meisten im Osten unseres Landes. Aber mit dem Anschlag von Mölln wurde endgültig deutlich, dass die fremdenfeindlichen Exzesse ein gesamtdeutsches Problem darstellten. Mir sind die Bilder noch sehr gegenwärtig.

Für junge Leute heute ist das Geschichte. Sie waren damals noch gar nicht geboren. Sie mussten sich in die Erinnerung anderer hinein fühlen. Sie haben Angehörige, Freunde und Nachbarn befragt, sie konnten mit einem  Zeitzeugen sprechen, der damals als 24-Jähriger dem Inferno mit knapper Not entkam. Manch einer der Befragten sprach zum Ersten mal über den Schock von Mölln.

12 junge Leute aus deutschen und türkischen Familien waren es zunächst, die sich zusammen taten, um gemeinsam Zugang zu den erschütternden Geschehnissen zu finden.

Keine leichte Aufgabe, und am Ende, als fertiges Bühnenstück keine leichte Kost. Die jungen Leute haben ihr Projekt mit Ernsthaftigkeit begonnen, und sie haben es dann mit Zielstrebigkeit und Engagement durchgehalten und zum Erfolg geführt. Das verdient großen Respekt. Es ist leicht und nicht ungewöhnlich, sich mit Elan und Begeisterung in eine selbst gefundene Aufgabe hinein zu stürzen – aber dran zu bleiben und etwas zu Ende zu bringen, das ist ungewöhnlich. Und mehr noch: sie wollen weitermachen! – Wie wäre es, wenn die Gruppe in andere Städte und Gemeinden eingeladen würde, die ebenfalls gewalttätige Fremdenfeindlichkeit erlebt haben?

Die Vereinigung „Gegen Vergessen-Für Demokratie“ gratuliert den Initiatoren, den Gestaltern und allen  Beteiligten mit dem diesjährigen Waltraud-Netzer-Jugendpreis.

Ein Wort noch zum Namen des Preises: Herr Nikolaus Netzer, der Spender des Preises, hat ihn in Erinnerung an seine mutige Mutter, Waltraut Netzer, gestiftet, die als junge Frau eine engagierte Gegnerin des Nazi-Regimes war.

Informationen zur Laudatorin