Veranstaltungen

Lesung und Gespräch - Staatssicherheit in Nordhausen

Montag, 17. Juni 2019

, 17:30 Uhr

Duderstädter Straße 7-9, 37339 Teistungen

Eine Veranstaltung von Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. - RAG Thüringen in Kooperation mit Grenzlandmuseum Eichsfeld e.V., BStU Bund Berlin

"In einer Gemeinschaftsarbeit der ausgewiesenen Historikerin Dr. Hanna Labrenz-Weiß, die seit Anbeginn wissenschaftliche Mitarbeiterin der BStU ist, und dem Diplomingenieur Joachim Heise, der in der DDR politisch iunhaftieret war, wird die Arbeitsweise einer Kreisdienststelle des MfS mit dem Rat des Kreises, Abteilung Inneres, beispielhaft aufgearbeitet. Ganz deutlich wird dabei die "führende Rolle der Partei SED" betont, was oft bei der Beschäftigung mit dem Thema MfS zu kurz kommt, denn in Artikel 1 der DDR-Verfassung war dies eindeutig festgelegt. Nicht das MfS hatte die Macht über die SED, es war genau umgedreht.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten werden Strukturen und Arbeitsweise der MfS-Kreisdienststelle Nordhausen, früher Bezirk Erfurt, heute Land Thüringen, dargestellt, wobei die Grenznähe eine besondere Rolle spielt. Nordhausen war als Industriestandort mehrerer Kombinate, wie IFA-Motorenwerke, RFT und VEB Schachtbau, die zum Teil auch in die "DDR-Landesverteidigung" eingebunden waren, besonders wichtig, dementsprechend groß war auch die MfS-Kreisdienststelle dimensioniert. Akribisch wurden die Arbeitsbereiche untersucht und trotzdem liest sich das Buch flüssig.

Im zweiten Teil wird am persönlichen Beispiel der Familie Heise [teilweise, d. Verfasser] die Strategie des Rates des Kreises, Abteilung Inneres, deutlich, wo der (MfS-) "Offizier im besonderen Einsatz" (OibE) Lothar Eichentopf perfide agierte, um die Familie Heise zu zersetzen. Es ist erschütternd zu lesen, mit welchen Mitteln dieser SED-Nomenklatuerkader und Oberleutnant des MfS operierte, um die vorgegebenen Ziele der "Zurückdrängung von Ausreiseanträgen" zu erreichen. Nicht nur die Erwachsenen waren diesem Psychoterror ausgesetzt, auch die Kinder der Familie litten unter den Schikanen, besonders nach der Inhaftierung ihres Vaters. Obwohl in den heute vorliegtenhden Akten der BStU eindeutig die Willkür im Fall der Familie Heise belegt ist, wurden die Verfahren gegen den OibE Eichentopf eingestellt. weil er "sich nach den Gesetzen der DDR" verhalten habe.

Damit wird wieder deutlich: Die SED-Diktatur war ein Unrechtsstaat. Unerträglich bleibt, dass noch immer im Landtag Thüringen SED-Nomkenklaturkader sitzen, die als Richterin (Dr. Martin-Gehl), NVA-Grenzoffizier (Ralf Kalich), Volkspolizist (Rainer Kräuter) oder als hauptamtliche SED-Funktionäre (Ina Leukefeld, Margit Jung) tätig waren. Auch gerade deshalb ist dieses Buch so wichtig und empfehlenswert."

Anton Odenthal in "Der Stacheldraht" Nr. 8/2018, Seite 18.