"Mölln nach Mölln"

Wer heute 18 Jahre alt oder noch jünger ist, weiß um die rechtsextrem motivierten tödlichen Anschläge von 1992 im schleswig-holsteinischen Mölln nur aus den Erzählungen Anderer. Das gilt auch für jene Jugendlichen, die hier zu Hause sind – in der Kleinstadt, in der vor fast 20 Jahren die Häuser zweier türkischer Familien brannten.  Das Jugendtheater-Projekt Mölln nach Mölln des Vereins „Miteinander leben e. V.“ lässt die Geschehnisse erfahrbar werden.

„Das war für alle Beteiligten eine sehr persönliche Spurensuche“, beschreibt Nadeshda Gerdt das Projekt „Mölln nach Mölln“, das sie als Theaterpädagogin zusammen mit ihrer Kollegin Annika Goos leitete. Die Idee dazu stammt vom Vorsitzenden des Vereins „Miteinander leben“, Mark Sauer: „Er sprach mich auf einer Konferenz an“, so Gerdt, „und erzählte von seinem Plan: Junge Leute sollten sich mit Mitteln des Theaters mit den Anschlägen auseinandersetzen. Ich war sofort begeistert.“ Denn wo ritualisiertes Erinnern gerade bei jungen Menschen seine Wirkung verfehlen kann, ermöglicht die Erfahrung auf  und hinter der Bühne persönliche Einblicke. „Die Jungen und Mädchen haben nicht nur geschauspielert, sondern unter Anleitung das ganze Stück selbst entwickelt.“

Dafür hieß es zunächst, in die Erinnerungen anderer einzutauchen – bei Verwandten, bei Freunden oder Nachbarn. „Vor allem die Familiengeschichten der Jugendlichen waren die Grundlage für das Stück. In manchen Familien wurde auf diesem Weg tatsächlich zum ersten Mal darüber gesprochen, wie man das damals erlebt hat“, weiß die Pädagogin zu berichten. Zwölf junge Leute aus deutschen und türkischen Familien waren es zunächst, die dem Aufruf von „Miteinander leben“ gefolgt waren – um gemeinsam Zugänge zu entwickeln zu den Geschehnissen, die drei Todesopfer und viele Verletzte gefordert hatten. Keine leichte Kost. Nadeshda Gerdt: „Sehr beeindruckend für die Jugendlichen war der Besuch eines Zeitzeugen bei uns im Projekt. Der war damals 24 Jahre alt und hatte eines seiner Kinder aus dem dritten Stock durch das Fenster nach draußen bringen und so retten müssen.“

Aus Begegnungen wie diesen und Gesprächen in den Familien entstand im Jahr 2010 schließlich die fiktive – und doch ganz reale – Geschichte von Hanna, die in ihrer Freizeit mit einer rechten Clique unterwegs ist.  Als sie auf Ibo trifft, lernt sie die Welt derer kennen, gegen die sich der Hass ihrer alten Freunde richtet. Ihre rassistischen Einstellungen stoßen in Ibos Umfeld auf wenig Verständnis, und so kommt es erst zu Demütigungen und Streit – und dann zu einer folgenschweren Entscheidung. „Brandmal“ heißt die Geschichte, die fünf der am Projekt beteiligten Jungdarstellerinnen und -darsteller zur Bühnenreife gebracht haben, und seither in Schulen und auf Tagungen aufführen.  Mehr Informationen:

 http://www.sie-tun-gutes.de/

 http://jensbutz.de/brandmal-film/