Mecklenburg-Vorpommern: Gemeinsamer Einsatz gegen Rechtsextremismus

Dorffeuerwehren ohne Führung, Parteien ohne Mitglieder und Vereine ohne ausreichende Mittel, um der professionellen Jugendarbeit der NPD das Wasser zu reichen: Die Liste der Probleme, die engagierte demokratische Bürger in Vorpommern aufzählen, ist lang. Der Vorsitzende von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.  Joachim Gauck hat sie sich bei einem Besuch am 2. September  in der ostvorpommerschen Kreisstadt Anklam angehört und in einer Gesprächsrunde gemeinsam mit den Beteiligten versucht, nach Lösungsstrategien zu fahnden.

Es geht um die Schwierigkeit, in einer Hochburg der rechtsextremen NPD und der freien rechtsextremistischen Kräfte demokratisches Engagement zu organisieren. Da berichtet der Rechtsextremismus-Experte Günther Hoffmann von Fortbildungen bei der Feuerwehr, die von Rechtsextremen dominiert werden. Die Pastorin Frauke Reek-Winkler erzählt von Jugendlichen, die von ihr erwarten, mit den Freizeitangeboten der NPD mitzuhalten (Reek-Winkler: „Bungee-Jumping für einen Euro, tut mir leid, das können wir nicht anbieten.“)  Und der örtliche Caritas-Leiter zeigt sich auch nach etlichen Jahren fassungslos darüber, dass gerade in seinem Dorf so viele Menschen der NPD nahestehen. Ulrich Höckner: „Ich weiß einfach nicht warum.“ Joachim Gauck ist überrascht von dem Ausmaß der Probleme und wundert sich über die dennoch gute Laune der Anwesenden: „So resigniert sehen Sie aber gar nicht aus.“

 „Na wir haben ja uns“, kontert Annett Freier vom Verein Demokratisches Ostvorpommern. Mit dem DemokratieLaden in der Anklamer Innenstadt haben sich die Engagierten mit Hilfe der Bundeszentrale für politische Bildung einen Ort geschaffen, an dem sie sich treffen und austauschen können und auch gegenseitig Mut machen, um nicht aufzugeben.

Und hier liegen – so das Ergebnis des Gesprächs – auch die Lösungen: sich vernetzen, von anderen lernen, die demokratischen Parteien und Verbände dazu bringen, vor Ort Gesicht zu zeigen und die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. Und das nicht nur im Wahlkampf. Denn die NPD auf der anderen Seite, so berichten die Einwohner, ist in Anklam und Umgebung das ganze Jahr über sehr sichtbar.

Auf der anschließenden Lesung in Anklam hat Joachim Gauck zwei Tage vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern die Zuhörer mit eindringlichen Geschichten aus der eigenen Biografie  aufgefordert, demokratisch wählen zu gehen. Gauck in Richtung Publikum: „Und wenn Sie das nicht tun, werde ich Ihnen im Traum erscheinen – und das nicht angenehm!“ Eine humorvolle Drohung, die hoffentlich zumindest die Zuschauer in der Anklamer Nikolaikirche an die Urne getrieben hat. Entwarnung gab es am Wahltag nämlich nicht, bei geringer Wahlbeteiligung hat die NPD im Landkreis Ostvorpommern und dem benachbarten Uecker-Randow zweistellige Ergebnisse erzielt. Annett Freier vom DemokratieLaden ist sich immerhin sicher: „Der Besuch von Herrn Gauck war für uns und unsere Partner Bestätigung und Motivation in unserem Engagement. So ein Austausch ist uns wichtig, um Verständnis dafür zu wecken, dass  im ländlichen Raum andere Problemlagen herrschen als in der Stadt. Denn diese Unterschiede haben natürlich Folgen für mögliche Formen von bürgerlichem Engagement. “