An der Aufgabenstellung hat sich nichts geändert

Erklärung von Dr. h.c. Joachim Gauck, Vorsitzender von Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

Wir wissen aus eigener Erfahrung, aus den Medien, was Polizeistatistiken und wissenschaftliche Studien der letzten Jahre belegen: Rechtsextremistisch motivierte Straftaten bewegen sich in den letzten zehn Jahren auf konstant hohem Niveau. Gleiches gilt für menschenfeindliche Einstellungen, z.T. sogar in der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Dies schlägt sich auch in den Anfragen nieder, die die Online-Beratung gegen Rechtsextremismus bei Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. erreichen.
Das Ausmaß der bekannt gewordenen Aktivitäten der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ ist erschreckend und es ist dringend geboten, dieses abscheuliche Beispiel für  fanatischen Fremdenhass lückenlos aufzuklären. Es muss zudem dafür gesorgt werden, Unklarheiten in Informationsfluss und Verfahren bei den zuständigen Diensten und Behörden zu beseitigen.
Das Erschrecken und die Empörung in breiten Kreisen der Politik und Öffentlichkeit sind wichtige, aber letztlich selbstverständliche Reaktionen. Den Angehörigen der Opfer, die nun zum zweiten Mal mit Trauer und Ohnmacht konfrontiert werden, Trost zuzusprechen und Ihnen Beistand und Aufklärung zu versprechen, ist das Mindeste, was getan werden muss.
Doch darüber hinaus muss die Politik die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus als eine dauerhafte Herausforderung für unsere Gesellschaft verstehen. Sie wird nur erfolgreich sein, wenn sie als langfristige Gesamtaufgabe begriffen wird. Anstatt reflexhaft neue Einzelmaßnahmen oder ein zwar wünschenswertes, aber aktuell unrealistisches Verbot der NPD zu fordern, sollte man sich auf eine Gesamtstrategie einigen. Die Vereinzelung von Maßnahmen muss aufgehoben, stattdessen die vielfältigen Aktivitäten zusammengeführt und verstetigt werden. Staatliche wie zivilgesellschaftliche Akteure müssen dafür in einen engeren und vertrauensvollen Dialog treten.