Oscar Schindler and the Cracowian Jews after 1945. Vortrag von Prof. Dr. Alexander Skotnicki, Universität Krakau. Mit Präsentation der deutschen Übersetzung des Buches

Mittwoch, 27. Juni 2012

18.00 Uhr Evangelisches Forum Annahof, Erdgeschoß, Im Annahof 4, 86150 Augsburg ,

Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der RAG Augsburg-Schwaben von Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

Seit dem Film von Steven Spielberg „Schindlers Liste“ wurde Oskar Schindler Millionen von Menschen in aller Welt als die Figur bekannt, die durch mutigen Einsatz über 1200 Menschen jüdischer Herkunft der nationalsozialistischen Mordmaschinerie entrissen hatte.
Als Mitglied der NSDAP und des Geheimdienstes war Schindler nach Krakau gekommen, um am Krieg in Polen Geld zu verdienen. Geld, nach eigenen Angaben über 2 ½ Millionen RM, das er nach seiner Wandlung zur Rettung der Juden eingesetzt hatte. Geld, das er aus der Arisierung jüdischer Betriebe in Krakau erworben hatte.
Am 8. Mai musste Schindler Brünnlitz verlassen, um nicht in die Hände der russischen Besatzer zu gelangen, denn er hatte damit zu rechnen, infolge seiner Tätigkeit als  Industrieller und seiner Spionagetätigkeit für die deutsche Abwehr von der Tschechoslowakei als Kriegsverbrecher angeklagt zu werden.
Mit einem Schutzbrief der Brünnlitzer Juden und einem Ring aus dem Zahngold floh Schindler über Passau und Konstanz in die amerikanische Besatzungszone, um eine neue Karriere zu beginnen. In Konstanz wurde er von den Franzosen inhaftiert und wurde  nur dank der Fürsprache einiger mit ihm gereisten Juden frei gesetzt.
Oskar Schindler gelang es nach dem Krieg nicht mehr, als Unternehmer erfolgreich zu agieren und Fuß zu fassen. Nur dank der finanziellen Unterstützung „seiner Juden“ konnte er sich über Wasser halten.
Aber selbst die Zahlungen, mit denen die er jahrzehntelang von Juden alimentiert wurde sowie die Gelder aus dem Lastenausgleich wurden Opfer seines aufwendigen hedonistischen Lebensstils und seines mangelnden ökonomischen Unternehmergeistes.
Seine Geflügel- und Nutriazucht in Argentinien scheiterte ebenso wie nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1962 die Übernahme eines Kunst- und Betonsteinwerkes. So blieb der Judenretter seinerseits von der finanziellen Unterstützung seiner Juden angewiesen.
Prof. Alexander Skotnicki, Dekan der medizinischen Fakultät an der Jagiellonen-Universität in Krakau schrieb ein faszinierendes Buch über das Verhältnis der Krakauer Juden zu Oskar Schindler und befragte hierzu in über 15 Jahren alle überlebenden Schindler-Juden.
So entstand ein multiperspektivisches, facettenreiches, aber auch oszillierendes Bild eines fast tragisch zu nennenden „Helden“ im ambivalenten Sinne, dem zu Lebzeiten in Deutschland die Anerkennung letztendlich versagt blieb.

„Ich bin in der Tschechoslowakei geboren und hatte viele jüdische Freunde. Im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass es nur zwei Wege gab: entweder sich mit den Juden total zu vereinigen und zusammen mit ihnen sein Leben aufs Spiel zu setzen oder sie zu vergessen und so zu ihrer Vernichtung beizutragen. Viele Gegner des Naziregimes waren nicht willensstark genug und hatten nicht die Kraft, ihre Opposition bis zum Ende durchzuhalten, und deswegen haben so wenige Deutsche den Juden geholfen. “
OSKAR SCHINDLER 
AUSSAGEN VON JÜDISCHEN OPFERN  ÜBER OSKAR SCHINDLER

„...es war ein Glücksfall dass Schindler so war wie er war: so leichtsinnig, so beherzt, so mutig, so trinkfest, so unerschrocken. Er, der weder vor noch nach dem Krieg etwas Besonderes vorweisen konnte, führte zusammen mit seiner Frau eine Rettungsaktion durch, der heute, verstreut über die ganze Welt, mit Lebenspartnern, mit Kindern und Enkelkindern über sechstausend Menschen direkt oder indirekt ihr Leben verdanken. Das ist das Wesentliche. Alles andere ist unwichtig“
MIETEK PEMPER, DER RETTENDE WEG, SCHINDLERS LISTE, DIE WAHRE GESCHICHTE, HAMBURG 2005, S.180

„Als man mich bei einem meiner Vorträge gefragt hat, ob es denn stimme, dass Schindler so viele Frauenbekanntschaften gehabt hat, und dass er Alkohol getrunken hat, da sagte ich, und hatte dann immer die Lacher auf meiner Seite, wissen Sie, das waren Zeiten, wo wir nicht die Möglichkeit hatten, dem Retter, der bereit ist, uns, die wir am Ertrinken waren, sahen dass ein Mann am Ufer steht und die Jacke auszieht und ins Wasser springen will, dass wir ihm sagen: „Entschuldigen Sie, bevor Sie springen, sagen Sie zuerst, ob Sie ihrer Frau treu sind und ob Sie Alkohol trinken. Das ist naiv so etwas zu glauben. Wir hätten mit dem Teufel und seiner Schwiegermutter verhandelt, vorausgesetzt er hat eine, .... und aus diesem Grund meine ich ..., die ganzen Misserfolge von Schindler nach dem Krieg, sie sollten außen vor bleiben“
GEORG HEUBERGER (HRSG.), JÜDISCHES MUSEUM FRANKFURT A.M., EINE RETTERGESCHICHTE; WAS IST EIN HELD, S. 25. TRANSKRIPTION MIECZYSLAW PEMPER INTERVIEW DISC 2, DATEI 13; 23:25 MINUTEN

„Mit seiner Menschlichkeit, seiner persönlichen Fürsorge für seine Schützlinge, seiner Bereitschaft zuzuhören und Lösungen für zahllose persönliche, alltägliche Probleme zu finden, wurde er für die Überlebenden zu einer lebenslangen Legende“
MOSHE BEJSKI, ZITIERT NACH D. CROWE, OSKAR SCHINDLER, DIE BIOGRAPHIE, BERLIN 2005, S657

„Da zeigte er sich als der wahre Humanist, der er war, als ein Mensch mit einem mitfühlenden Herzen, der von dem Leiden seiner Mitmenschen tief gerührt war und keine Mühen scheute, unsere Leiden zu lindern und uns Schutz zu gewähren, so wie das unter Umständen möglich war. Keine Chronik seiner menschenfreundlichen Handlungen, so umfassend sie auch sein mag, kann das volle Ausmaß seiner Güte vermitteln.......... Ich betrachte es als meine Pflicht, im Namen aller Überlebender in Israel und der Diaspora Oskar Schindler nicht nur für die Kränkungen, deren Ursache wir mit oder ohne unser Wissen waren, sondern auch dafür um Vergebung zu bitten, dass wir nicht genug für ihn getan haben, wozu wir ihm als unserem Retter und Wohltäter gegenüber verpflichtet waren. Wir hätten viel mehr tun können. Sein Andenken sei gesegnet“
MOSHE BEJSKI, ZITIERT NACH D. CROWE, OSKAR SCHINDLER, DIE BIOGRAPHIE, BERLIN 2005, S657

Prof. Alexander Skotnicki ist im Hauptberuf Professor für Hämatologie und Dekan der medizinischen Fakultät an der Krakauer Jagiellonen-Universität. Sein wissenschaftlicher Ruhm basiert auf dem Gebiet der Hämatologie und insbesondere der Knochenmark-transplantation. Im Bereich der Medizin hat er über 300 wissenschaftliche Artikel und ist Mitautor von 13 Handbüchern.
Darüber hinaus aber hat er sich der polnisch-jüdisch-deutschen Versöhnung verschrieben. In zahlreichen Artikeln und Ausstellungen hat er immer wieder das historische Verhältnis von Juden, Polen und Deutschen thematisiert.
Skotnickis Beitrag als Historiker umfasst Artikel, Ausstellungen und Bücher über „Medizin und Pharmazeutik im Ghetto (2002); den Mediziner Julian Alexandrowicz im Widerstand (2001); Zwei Gesichter der Krakauer Juden (2006); Das besetzte Krakau (2003); Die Nazi- und die sowjetische Invasion 1939 (2006); Militärparaden Marschall Pilsudskis (2005); Die Rolle Oskar Schindlers bei der Errettung der Krakauer Juden (2004); Die jüdische Gemeinde in Polen (2006)
Von ihm stammt das wohl fundierteste Buch über Oskar Schindler. (Oscar Schindler in the eyes of the Cracowian Jews rescued by him, Cracow 2008; in deutscher Übersetzung ab 2012). In jahrelangen Recherchen hat er alle noch lebenden „Schindlerjuden“ interviewt und bietet eine multiperspektivische Sichtweise auf den anfänglichen Opportunisten und späteren Retter von über 1200 Juden aus dem KZ Plaszow.
Prof. Skotnicki ist Träger sämtlicher polnischer Verdienstorden, er ist Preisträger des Jan Karsky und der Pola Nirenska Auszeichnung des New Yorker YIVO-Instituts für die Polnisch-Jüdischen Beziehungen (2009) und wurde von der Krakauer Zeitung „Gazeta Krakowska“ zur Person des Jahres 2009 gewählt.
Für seine Bemühungen zur Sicherung des Jüdischen Erbes in Polen wurde Sktonicki von der Israelischen Botschaft und dem polnischen Kultusministerium mit dem Ehrendiplom „Chroniac Pamiec“ ausgezeichnet.