Konzertlesung: "In Auschwitz gab es keine Vögel"

Dienstag, 21. Juni 2022, 18:00 Uhr

Leibniz-Gymnasium Essen, Stankeitstraße 22, 45326 Essen

Gregor Praml / Monika Held

Bald wird es keine Überlebenden des Holocaust mehr geben – und wer erzählt dann? Können, dürfen wir, die wir die traumatischen Situationen, aus denen heraus die Überlebenden berichtet haben, nicht erfahren haben, eine Art stellvertretende Zeugenschaft übernehmen? Eine Verantwortung für die Vergangenheit?

Authentische Erinnerungen sind nicht zu ersetzen. Was wir aber tun können, ist, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die persönlichen, körperlichen Erfahrungen des Todes in den Nazilagern nicht vergessen werden. Zumal wir in einer Zeit leben, in der Menschen bedroht, angegriffen, sogar getötet werden, weil sie sich für eine tolerante, menschliche und demokratische Gesellschaft einsetzen. Hass ist schürbar und wiederholbar. Um die Gegenwart zu verstehen, muss man die Vergangenheit begreifen. Man kann sich gegen Populismus besser wehren, wenn man weiß, wozu das schon einmal geführt hat.

Jorge Semprun, ehemaliger spanischer Kulturminister und Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald, hat immer wieder darauf hingewiesen, dass es zwar weiterhin gelehrte Arbeiten zum Holocaust geben werde, deren Bedeutung er nicht schmälern wolle, „aber reicht das aus? Man kann jetzt schon behaupten, dass sich das kollektive Bewusstsein, das konkrete Wissen um die Vernichtung verändern wird, wenn die lebendige Quelle der Erinnerung versiegt ist. Es sei denn, dass Menschen den Mut finden, sich an dieses Gebiet vergangener Realität heranzuwagen, die unerschöpfliche Wahrheit der Vernichtungserfahrung mit den Mitteln der Fiktion herauszuarbeiten. Kühn und bescheiden zugleich.“

Diesen Versuch wollen wir wagen. Nicht als Belehrung, eher als Verstehen durch sinnliche Wahrnehmung. Gegen das Vergessen. Unsere Mittel sind Text und Musik.