Michael Pechel: „Schau mich an. Begegnungen in Israel“

Eine Wanderausstellung von Givat Haviva im Neuen Rathaus

Benannt nach der slowakischen Widerstandskämpferin Haviva Reik, wurde Givat Haviva als israelischer Kibbutz vor 70 Jahren gegründet. Seitdem wird er von der Gewerkschaft der Kibbutzbewegung getragen. Seit 1963 versteht sich Givat Haviva als Bildungs- und Begegnungszentrum, das sich aktiv um den innerisraelischen Dialog und insbesondere um eine jüdisch-arabische Aussöhnung bemüht. Dazu kommen Menschen zusammen, die gewöhnlich vollkommen abgeschottet voneinander leben: Das Kulturzentrum zwischen Tel Aviv und Haifa bietet jährlich Veranstaltungen für etwa 30.000 jüdische wie arabische Jugendliche aus Israel, Pädagogen und sonstige Multiplikatoren an. Für das Programm „Kinder lehren Kinder“, das jeweils eine jüdische mit einer palästinensischen Klasse über zwei Jahre in einen partnerschaftlichen Dialog führt, wurde Givat Haviva mit dem UNESCOFriedenspreis ausgezeichnet. Während seines Besuches im Jahre 2017 nannte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Friedensprojekt Givat Haviva eine „Insel der Hoffnung“ im Nahen Osten.

Der Verein Freundeskreis Givat Haviva Deutschland besteht seit 1995 und hat sich – wie die Partnerorganisationen in Europa und Nordamerika – zum Ziel gesetzt, über die Arbeit von Givat Haviva in Israel zu informieren. Dafür tourt die Wanderausstellung „Schau mich an. Begegnungen in Israel“ seit Jahren durch deutsche Städte. Vom 30. September bis zum 23. Oktober 2018 war sie in Hannover zu Gast. Veranstalter waren hier neben dem Freundeskreis Givat Haviva Deutschland e.V. die Ada-und-Theodor- Lessing-Volkshochschule Hannover, die Regionale Arbeitsgruppe Hannover von Gegen Vergessen – Für Demokratie und die Städtische Erinnerungskultur der Landeshauptstadt Hannover.

Die Ausstellung wurde mit einem Grußwort von Klaus Scholz, Bürgermeister der Landeshauptstadt Hannover, eröffnet. Er berichtete über die jahrzehntelange Partnerschaft zwischen der Region Hannover und der israelischen Region Untergaliläa einschließlich Schulpartnerschaften und regelmäßigen Jugendbegegnungen. Dazu wies er auf weitere städtische Projekte der politischen Prävention und Stärkung der Zivilgesellschaft hin. So ist für den Herbst 2019 die Eröffnung des aufwändig gestalteten Lernorts „Zeitzentrum Zivilcourage“ geplant – in zentraler Lage genau gegenüber dem Neuen Rathaus. Dort werden Opfer- und Täterbiografien aus der Hannoverschen Stadtgesellschaft im Nationalsozialismus dokumentiert. Unter dem Motto „Mitmachen oder widerstehen?“ sollen Handlungsspielräume von Menschen in Diktaturen ausgelotet und diskutiert werden – immer mit Blick auf das Heute und das eigene Verhalten.

Die Vorsitzende des Freundeskreises Givat Haviva Deutschland e.V., Ruth Ratter, lud zu einem Rundgang ein. Die Ausstellung besteht aus hohen Stelen, die zu Ausstellungsflächen verbunden sind. Ein zentraler Kubus zeigt anhand von Landkarten die Entwicklung Israels seit seiner Gründung, seine territoriale Ausbreitung vor und nach dem Sechstagekrieg 1967 und die Situation im besetzten Westjordanland. Zwei lange Reihen rechts und links davon schildern getrennt voneinander die palästinensische und jüdische Sicht auf die jeweils andere Seite. Die gegenseitigen Vorurteile, der Hass aufeinander, aber auch die Angst voreinander werden mit Bildern und Zitaten thematisiert. An der Stirnseite der Ausstellung, wo beide Seiten zusammentreffen, wird die vermittelnde Arbeit von Givat Haviva gezeigt: Zerrbilder verändern sich durch persönliche Bekanntschaften. Während ihrer Führung durch die Ausstellung wies Ruth Ratter auf das erfolgreiche Langzeitprojekt „Shared Communities“ – Gemeindepartnerschaften zwischen jüdisch-israelischen und palästinensisch-israelischen Kommunen – sowie auf die jüngst gegründete englischsprachige Givat Haviva International School hin, in der arabische und jüdische Israeli zusammen mit Studenten aus der ganzen Welt zusammen lernen und wohnen.

Während der dreiwöchigen Laufzeit der Ausstellung wurden Vorträge angeboten, darunter zu einer aktuellen „Jugendstudie Israel“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, die in regelmäßigen Abständen Meinungsbilder von jungen palästinensischen und jüdischen Israelis erhebt. Leider waren – trotz breit verteiltem Flyer und Mails an alle Hannoverschen Schulen – unter dem Strich Resonanz und Besuch recht verhalten. Die anregendsten Diskussionen gab es mit Besuchern der Ausstellung, die Israel bereits einmal besucht hatten.

Infos und Kontakt zum Opens external link in new windowFreundeskreis Givat Haviva Deutschland e.V.

Michael Pechel ist Mitglied der Regionalen Arbeitsgruppe Hannover von Gegen Vergessen – Für Demokratie und im Freundeskreis Givat Haviva Deutschland.

Erschienen in:Opens internal link in current window Zeitschrift Gegen Vergessen - Für Demokratie Ausgabe 99/2019