„Demokratie ist die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk.“ (Abraham Lincoln)

Max Stadler

Die Demokratie steht vor neuen Herausforderungen. Die Distanz zwischen Bürgern und Politik steigt. Entscheidungen, die in parlamentarischen und rechtsstaatlichen Verfahren getroffen werden, stoßen mitunter auf Unverständnis, gar auf Protest. Einerseits sinkt zumeist die Wahlbeteiligung, andererseits wollen die Bürger stärker an der politischen Willensbildung beteiligt werden.

Diesen Gegensatz gilt es aufzulösen, damit unsere Demokratie nicht in eine Vertrauenskrise gerät. Reformfähigkeit und Bürgerakzeptanz sind dabei in Ausgleich zu bringen. Für liberale Demokratiepolitik gilt: Bürgerbeteiligung und Reformfähigkeit sind keine Widersprüche.

Eine Möglichkeit solcher Beteiligung ist das Petitionsrecht gem. Art. 17 GG. Besonders mit der Sammelpetition, die seit 2005 auch online durchführbar ist, besteht die Möglichkeit, brisante Themen und Anliegen der Bürger auf die Tagesordnung der Parlamentarier zu setzen. Derzeit bedarf eine Petition 50.000 Unterschriften bei Einreichung oder innerhalb von drei Wochen nach Einreichung, damit der Petent in einer öffentlichen Sitzung des Bundestags angehört werden kann. Dieses barrierearme Mittel der Bürgerbeteiligung wollen wir Liberale um das „Bürgerplenarverfahren“ erweitern. Mein Bundestagskollege Stephan Thomae setzt sich hierfür besonders ein. Dabei werden Petitionen, die innerhalb von zwei Monaten mindestens 100.000 Unterstützerunterschriften erhalten, im Plenum des Deutschen Bundestags in einer sogenannten Bürgerstunde behandelt. Die Bürgerstunde soll der Aktuellen Stunde nachgebildet sein. Sie endet mit der Überweisung der behandelten Petition in den zuständigen Fachausschuss zur weiteren Beratung. Vom Fachausschuss wird die Petition zusammen mit einer inhaltlichen begründeten Stellungnahme zurück an den Petitionsausschuss überwiesen, wo die Petition gem. Art. 45c GG abschließend behandelt. Die Frist, in der Personen(gruppen) eine öffentliche Petition im Internet unterstützen können, wollen wir von derzeit drei Wochen auf zwei Monate verlängern.

Doch gerade im Angesicht von „Stuttgart 21“ besteht vor allem Veränderungsbedarf im Planungsrecht. Hierbei war es ein Fehler zu glauben, dass politische Probleme durch ein erweitertes Planungsrecht gelöst werden könnten. Im Gegenteil: Die Planungsverfahren sind mit der Auflösung solcher Konflikte überfordert und müssen dringend entlastet werden. Dementsprechend sind die Beteiligungsmöglichkeiten zu Beginn von Großprojekten bis hin zum Bürger-/ Volksentscheid auszuweiten und das Planungsverfahren im Gegenzug wesentlich zu beschleunigen. Diese Ziele widersprechen sich nicht. Denn eine frühzeitige Bürgerbeteiligung schafft auch stärkere Akzeptanz.

Der erste Schritt zur besseren Einbindung der Bürger ist eine bessere Information. Denn Information und Beteiligung sind keine Rechte, die der Staat den Bürgern gewährt, sondern Grundprinzipien einer freien und liberalen Bürgergesellschaft. Information über ein Vorhaben darf somit nicht mehr Holschuld der Bürger, sondern muss Bringschuld der Behörden sein.

Darüber hinaus sollte das Planungsrecht stärker für Mediationsverfahren geöffnet werden.  Beispielweise könnten Gutachten zu Infrastrukturvorhaben in einem sogenannten Joint Fact Finding-Prozess stattfinden. Das heißt: Fragestellung, Ausschreibung und Vergabe eines Gutachtens erfolgen gemeinsam durch die an der Mediation beteiligten Parteien. Dadurch würde Transparenz und damit Vertrauen in den Entscheidungsprozess geschaffen.

Gerade bei der Gutachtenerstellung können Bürger durch das sogenannte Bürgergutachten stärker eingebunden werden. Dabei werden nach dem Zufallsprinzip, jedoch nach bestimmten Kriterien zur Bildung einer repräsentativen Zufallsauswahl, eine größere Gruppe von Bürgern ausgewählt, die über einen längeren Zeitraum unter professioneller Moderation und Beachtung bestimmter Verfahrensregeln ein Bürgergutachten zu einer konkreten Fragestellung entwickelt.

Weiterhin könnten Mediationsverfahren als ersetzende (aber nicht vorgeschriebene) Alternative zu den klassischen Erörterungsterminen genutzt werden. Aufgabe des Mediationsverfahrens wäre dann die Vorbereitung einer Entscheidung für die Inhalte eines Planfeststellungsbeschlusses in Form eines integrativen Gesamtgutachtens.

Wir Liberale haben uns darüber hinaus immer für mehr direkte Demokratie auch auf Bundesebene eingesetzt. Jedoch stand für uns immer fest: Nach dem Volks- bzw. Bürgerentscheid, der die letzte politische Instanz sein sollte, müssen die Vorhaben zügig durchgeführt werden können. Bürgerbeteiligung schließt rasche Umsetzung also  nicht aus, im Gegenteil: Sie kann sogar ein Effizienzgewinn sein.

Deshalb gilt für uns Liberale umso mehr: "Auch in einer gefestigten Demokratie (…) haben Bürgerinitiativen und Bürgerbewegungen ihr Aufgabenfeld. Denn Demokratie ist nichts, was einmal gewonnen ist, was für alle Zeit währt." (Konrad Weiß)

Dr. Max Stadler, MdB, ist Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz und Vorstandsmitglied von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.