Ziel: Umerziehung. Ausstellung zur Geschichte repressiver Heimerziehung in der DDR

Dienstag, 19. Januar 2016

10 Uhr Zeitzeugengespräch und 15 Uhr Ausstellungseröffnung
Stadtbibliothek „Rudolf Hagelstange“, Nikolaiplatz 1, 99734 Nordhausen,

„Die mobile Ausstellung dokumentiert die repressiven Machtstrukturen des DDR-Erziehungssystems, erinnert an die jugendlichen Opfer der sozialistischen Umerziehungspraxis  und thematisiert aktuelle Aufarbeitungsprozesse zur Geschichte der Heimerziehung in der frühen Bundesrepublik und Europa.

Das gesetzlich festgelegte Erziehungsziel des DDR-Bildungssystems war die Herausbildung „sozialistischer Persönlichkeiten“. Dazu schuf das Ministerium für Volksbildung das System der Spezialheime der DDR-Jugendhilfe. Kinder und Jugendliche, die in Spezialheime eingewiesen wurden, galten als „schwererziehbar“ oder „verhaltensgestört“. Dehnbare Begriffe, die jegliche Form unangepassten Verhaltens mit einbeziehen konnten. Die gesamte Methodik des Systems Spezialheime war darauf ausgerichtet, durch „Umerziehung“ die Individualität Jugendlicher zu brechen und sie nahtlos in das sozialistische System einzufügen.

Die Heimerziehung war ausdrücklich abgegrenzt vom Jugendstrafvollzug. Zu den Spezialheimen zählten die Spezialkinderheime, die Jugendwerkhöfe, die Durchgangsheime, das „Kombinat der Sonderheime für Psychodiagnostik und Pädagogisch-Psychologische Therapie“ und schließlich als „letzte Instanz“ der „Geschlossene Jugendwerkhof Torgau“. Der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau galt als offiziell einzige geschlossene Disziplinierungseinrichtung und „Endstation“ im Erziehungssystem. Gesetzlich festgelegt waren das Aufnahmealter von 14 bis 18 Jahren und die Aufenthaltsdauer bis zu sechs Monaten. Einweisungsgrund laut Gesetz waren wiederholte Verstöße gegen die Heimordnung in den anderen Jugendwerkhöfen und Spezialkinderheimen. Dazu zählten Fluchtversuche, „renitentes Verhalten“, wiederholte Arbeits- oder Schulverweigerungen oder Kritik am gesellschaftlichen System der DDR. Die Einweisung nach Torgau erfolgte auf Antrag des Heimleiters eines Spezialheims direkt beim Ministerium für Volksbildung. Kein einziger Jugendlicher kam aufgrund eines Gerichtsbeschlusses nach Torgau. Dennoch war dieser Jugendwerkhof schlimmer als jedes Jugendgefängnis.  Hier wurde die Persönlichkeit junger Menschen bewusst gebrochen.

Auf 12 Tafeln und zwei Medienstationen führt die mobile Ausstellung in das System und den Alltag von DDR-Heimerziehung ein. Was war eigentlich ein Jugendwerkhof und wer wurde eingewiesen? Welche Bedingungen herrschten z.B. in den Durchgangsheimen für aufgegriffene Kinder und Jugendliche? Neben Informationen zu den einzelnen Umerziehungseinrichtungen anhand von Fotos, Dokumenten und Begleittexten ermöglichen fünf Lebenswege ehemaliger Heimkinder einen persönlichen  Zugang zum Thema.“ ( Texte aus Informationsmaterial der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau )

Unabhängig von der Ausstellung stellt die Berliner Künstlerin Katrin Büchel Fotoarbeiten in Anlehnung an ihre Zeit im Jugendwerkhof Torgau aus, Gino Kuhn verarbeitet seine traumatischen Erlebnisse von Stasi-Haft und Zuchthaus in ausdrucksstarken Bildern in Acryl und Öl, die er ebenfalls im Rahmen der Torgau-Ausstellung präsentiert.

Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten der Stadtbibliothek „Rudolf Hagelstange“, Dienstag bis Sonnabend, zu besichtigen.

Am 26.01.2016 findet um 10 Uhr in der Stadtbibliothek „Rudolf Hagelstange“ ein ausstellungsbezogenes Zeitzeugengespräch mit dem Zeitzeugen Alexander Müller unter der Moderation von Frau Manuela Rummel für Schüler|nnen und interessierte Nordhäuser statt.

Der Nordhäuser Oberbürgermeister Dr. Klaus Zeh eröffnet die Ausstellung am 26.01.2016 um 15 Uhr im Foyer der Stadtbiblothek „Rudolf Hagelstange“.

Eine Veranstaltung der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau in Kooperation mit Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., Stadt Nordhausen sowie der Stadtbibliothek „Rudolf Hagelstange“ Nordhausen.