Lesung und Gespräch: Staatssicherheit in Nordhausen

Dienstag, 5. März 2019

, 18:00 Uhr

Nikolaikirchplatz 5-7, 10178 Berlin

Eine Veranstaltung von der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus, BStU BF 1.1 Berlin in Kooperation mit Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. - RAG Thüringen

"In einer Gemeinschaftsarbeit der ausgewiesenen Historikerin Dr. Hanna Labrenz-Weiß, die seit Anbeginn wissenschaftliche Mitarbeiterin der BStU ist, und dem Diplomingenieur Joachim Heise, der in der DDR politisch inhaftiert war, wird die Arbeitsweise einer Kreisdienststelle des MfS in Zusammenarbeit mit dem Rat des Kreises, Abteilung Inneres, beispielhaft aufgearbeitret.Ganz deutlich wird dabei die "führende Rolle der Partei SED" betont, was oft bei der Beschäftigung mit dem Thema MfS zu kurz kommt, denn in Artikel 1 der DDR-Verfassung war diese eindeutig festgelegt. Nicht das MfS hatte die Macht über die SED, es war genau umgedreht.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten werden Strukturen und Arbeitsweise der MfS-Kreisdienststelle Nordhausen, früher Bezirk Erfurt, heute Land Thüringen, dargestellt, wobei die Grenznähe eine besondere Rolle spielt. Nordhausen war als Industriestandort mehrerer Kombinate, wie IFA-Motorenwerke, RFT und VEB Schachtbau, die zum Teil auch in der "DDR-Landesverteidigung" eingebunden waren, besonders wichtig,, dementsprechend groß war auch die MfS-Kreisdienststelle dimensioniert.Akribisch wurden die Arbeitsbereiche untersucht , und trotzdem liest sich das Buch flüssig.

Im zweiten Teil wird [teilweise] am persönlichen Beispiel der Familie Heise die Strategie des Rates des Kreises, Abteilung Inneres, deutlich, wo der (MfS-)"Offizier im besonderen Einsatz" (OibE) Lothar Eichentopf, perfide agierte, um die Familie ... zu zersetzen. Es ist erschütternd zu lesen, mit welchen Mitteln dieser SED-Nomenklatur-kader und Oberleutnant des MfS operierte, um die vorgegebenen Ziele der "Zurück-drängung von Ausreiseanträgen" zu erreichen. Nicht nur die Erwachsenen waren diesem Psychgoterror ausgesetzt, auch die Kinder der Familie litten unter den Schikanen, besonders nach der Inhaftierung des Vaters. Obwohl in den heute vor-liegenden Akten der BStU eindeutig die Willkür ... belegt ist, wurden die Verfahren gegen den OibE Eichentopf eingestellt, weil er "sich nach den Gesetzes der DDR" verhalten habe.

Damit wird wieder deutlich: Die SED-Diktatur war ein Unrechtsstaat. Unerträglich bleibt, dass noch immer im Landtag Thüringen SED-Nomenklturkader sitzen, die als Richterin (Dr. Martin-Gehl), NVA-Grenzoffizier (Ralf Kalich), Volkspolizist (Rainer Kräuter) oder als hauptamtliche SED-Funktionäre (Ina Leukefeld, Margit Jung) tätig waren. Auch gerade deshalb ist dieses Buch so wichtig und empfehlenswert."

(Anton Odenthal: "Das MfS in Nordhausen", der stacheldraht Nr. 8/2018, S. 18)