Vortrag / Zeitzeugengespräch zum Thema „Repression in der DDR – Heim, Haft und danach??“

Veranstaltungsbericht von Joachim Heise

Am 11. Januar um 19 Uhr fand im Stadthistorischen Museum „Flohburg“ in Nordhausen ein Vortrag / Zeitzeugengespräch zum Thema „Repression in der DDR – Heim, Haft und danach??“ unter der Moderation von Uwe Kulisch-Erfurt  mit Marina Böttcher-Erfurt, Ralf Hirsch-Berlin und Joachim Heise-Nordhausen statt.

Nachdem der Moderator die Zeitzeugen vorgestellt hatte, erläuterte er die Zuordnung der Zeitzeugen aus generationengeschichtlicher Perspektive des Lebens in der DDR. Danach gehört Heise der funktionierenden Generation an, Mitte der 1930er bis Ende der 1940er geborene Jahrgänge, die Kriegsende und Nachkriegsnot erlebte, sich unauffällig verhielt und unbedingt zu funktionieren lernte.
Böttcher gehört der integrierten Generation an, Ende der 1940er bis Ende der 1950er geborene Jahrgänge,  die ausschließlich vom Sozialismus geprägt wurde. Kinder und Jugendliche aus der integrierten Generation konnten die Erfahrung machen, dass sie sich in der DDR unter akzeptabler Perspektive und materieller Annehmlichkeit entwickeln konnten, wenn sie sich wohl verhielten.
Hirsch, in den 1960er Jahren geboren, gehört der entgrenzten Generation an. Diese Kinder und Jugendlichen sind die letzte Generation, die Schule und Lehre noch vollständig in der DDR absolvierten.

Im Verlauf des Gespräches schilderten die Zeitzeugen an Hand weniger aber markanter Beispiele ihre Entwicklung in Kindheit und Jugend im Arbeiter- und Bauern-Staat DDR und in einer zweiten Runde die Ereignisse, die zum Bruch mit dem System führten.

So berichtete Joachim Heise, betroffen vom SED-Unrecht -  Haft und Freikauf, über seine äußerlich systemkonforme Entwicklung – Schule, Lehre, Studium und Tätigkeit als Ingenieur. Die SED, in ihrer Allmacht, steuerte die berufliche Entwicklung im krassen Widerspruch zu seinen Vorstellungen und Visionen. Die passive Ablehnung der sozialistischen Gesellschaftsordnung in Kindheit und Jugend  führte während des Erwachsenwerdens zur offenen Ablehnung und Abkehr von der DDR.

Ralf Hirsch sprach über seine Erlebnisse und Erfahrungen in DDR-Kinderheimen, in die er 1977 wegen „fehlgeleiteter politischer Anschauungen“ eingewiesen wurde, entlassen unter Auflagen – Meldepflicht, Umgangs- und Reiseverbot – begann er 1980 für kirchliche Einrichtungen zu arbeiten und fungierte in der Initiative „Frieden und Menschenrechte“ als Sprecher. 1988 nach der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration verhaftet, schilderte er, dass er unter Androhung einer hohen Gefängnisstrafe durch die Stasi „freiwillig“ einer Ausbürgerung zustimmte.

Marina Böttcher, dem Freundeskreis von „Barry“ und „Fetzer“ (Protagonisten der Wanderausstellung „Von Liebe und Zorn. Jung Sein in der Diktatur“) angehörend, zeichnete das Bild einer gradlinigen sozialistischen Entwicklung in Kindheit und Jugend, bis sie durch den Zwang an Mitschülern, bei Studienwunsch drei Jahre in der NVA zu dienen, in Zwiespalt zu ihrer bisherigen Sichtweise zum Sozialismus geriet. Weiter berichtete sie, wegen kritischer Äußerungen zum Erlebten, über Konflikte mit dem Elternhaus, über die Bestürzung beim Freitod eines Mitschülers und das Verbot der Schule an der Trauerfeier teilzunehmen, die Nichtzulassung zum Studium und letztendlich die Inhaftierung durch die Staatssicherheit.

Während und nach dem Zeitzeugengespräch entwickelte sich eine intensive Diskussion, die Ergänzungen von Teilen des Gespräches durch die Veranstaltungsteilnehmer erbrachte,  auch kontrovers verlief, aber immer, in den richtigen Kontext gestellt, einvernehmlich abgeschlossen werden konnte.

49 Besucher nahmen an der Abendveranstaltung im Rahmen der interaktiven Wanderausstellung „Von Liebe und Zorn. Jungsein in der Diktatur“ teil.