Schlimmer als Knast

SchülerInnen im Gespräch mit Stefan Lauter und Grit Poppe

„Schlimmer als Knast“ ist der Titel eines MDR-Dokumentarfilms über die Jugendwerkhöfe in der DDR. In einem solchen saß auch Stefan Lauter unverschuldet ein. Die SchülerInnen der Klassen 9d/9e der Karl-Rehbein-Schule (KRS) Hanau hatten am Dienstag, den 22.06., gemeinsam mit ihren GeschichtslehrerInnen Julia Scheuermann und Stephan Segieth, die einmalige Möglichkeit mit Stefan Lauter über seine Zeit in der DDR zu sprechen. Ermöglicht wurde diese Veranstaltung durch die regionale Arbeitsgruppe Rhein-Main von Gegen Vergessen -  Für Demokratie e.V. und ihrem Sprecher Andreas Dickerboom sowie finanzieller Unterstützung durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Stefan Lauter war es auch, der in dem Dokumentarfilm seine Geschichte erzählt. Er wurde von der DDR-Regierung als Staatsfeind bezeichnet, da er Punk-Musik liebte, frei seine Meinung äußern wollte und die Freiheit des Westens ersehnte. Doch dies widerstrebte dem Idealbild eines angepassten DDR-Bürgers, der für den Sozialismus leben sollte. So wurde Stefan Lauter in verschiedene Jugendwerkhöfe zur „sozialistischen Umerziehung“ eingewiesen, bis er schließlich in Torgau landete, dem einzigen geschlossenen Jugendwerkhof, mit unvorstellbaren Quälereien, die an den Kindern und Jugendlichen verübt wurden. Für Stefan Lauter und alle anderen „Insassen“ war diese Zeit weitaus schlimmer als Knast. „Als ich fragte, wo ich sei, schlug mir ein Wärter seinen Schlüsselbund ins Gesicht. Ich wurde drei Tage in die verdunkelte Arrestzelle gesteckt. Solch ein Schock weckte bei jedem die Bereitschaft zur ‚Umerziehung’“, so Stefan Lauter über seine ersten Tage in Torgau.

Vergitterte Fenster, Sichtblenden, Einzelhaft für Aufsässige, körperliche Gewalt oder Essensentzug waren alltägliche Strafen in Torgau. Torgau war der Extremfall. So versuchten sich zahlreiche Insassen das Leben zu nehmen um dieser Grausamkeit zu entfliehen.

Die Schilderungen der schrecklichen persönlichen Erlebnisse von Stefan Lauter bewegten die Schüler sichtlich, die von seinem Schicksal sehr betroffen waren. Gleichzeitig bewunderten sie es, wie offen er mit seiner Vergangenheit umging, auch und vor allem weil es für ihn selbst ein langer Weg des Leidens war, den er gehen musste, bis er so offen über seine Vergangenheit berichten konnte.
 
Die Lebensgeschichte von Stefan Lauter spiegelt sich auch in dem Jugendroman „Weggesperrt“ von Grit Poppe wieder, die im Rahmen der Veranstaltung an der KRS aus ihrem Buch las. Die Protagonistin dieses Romans, Anja, ist eine fiktive Person und ihre Geschichte und die handelnden Personen frei erfunden. Doch Stefan Lauter sagt zu diesem Roman: „Das einzige was mich an diesem Roman stört ist, dass ich Anja heiße.“. Daran erkennt man, wie authentisch dieser Roman geschrieben wurde und dass er auf dem Bericht von Stefan Lauter und anderen Zeitzeugen beruht.
„Das war Geschichte, die betroffen macht und die unter die Haut geht“, stellten die Schüler der Karl-Rehbein-Schule nach dieser Veranstaltung tief bewegt fest.

Julia Scheuermann ist Geschichtslehrerin am Karl-Rehbein-Gymnasium in Hanau und Mitglied bei Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.