Buchhinweis

Dr. Claus Gerhard: "Der begrenzte Himmel. Drachen- und Gleitschirmfliegen in der DDR"

Vor 25 Jahren, im Sommer 1989, wollte die angeschlagene DDR das Drachen- und Gleitschirmfliegen, das sie zehn Jahre lang verboten hatte, noch mit Einschränkungen erlauben, doch die deutsche Einheit kam ihr zuvor. Am 23. August 1989, gut zwei Monate vor dem Mauerfall, hatte das Zentralkomitee (ZK) der SED einstimmig beschlossen, den seit 1980 verbotenen Hängegleitersport in der DDR zuzulassen. Wegen der notwendigen Vorbereitungen sollte der Start aber erst im Jahr 1991 erfolgen. Vorausgegangen war dieser bemerkenswerten Entscheidung ein langes Tauziehen verschiedener politischer Organe, die einerseits um die Sicherheit des Landes fürchteten, andererseits aber den internationalen Image-Verlust nicht leugnen konnten, denn die DDR war das weltweit einzige Land mit einem Verbot für Drachen- und Gleitschirmfliegen, während zum Beispiel die östlichen Nachbarstaaten Tschechien und Polen oder auch die Sowjetunion den Sport sogar förderten.

 

Die vorliegende Untersuchung entstand in Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Dr. Hans Joachim Teichler, Leiter des Arbeitsbereichs Zeitgeschichte des Sports am Sportwissenschaftlichen Institut der Universität Potsdam. Anhand von Archivmaterialien wird eingangs die massiv behinderte Entwicklung des Hängegleitens in der DDR geschildert, dessen Eingliederung in den organisierten Wehrsport die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) ablehnte, vornehmlich wegen der Fluchtmöglichkeiten, die diese leichten Fluggeräte boten. Nach anfänglicher Duldung untersagte die Regierung das Drachenfliegen offiziell ab August 1980 und verwarnte alle bis dahin bekannten Piloten. Sie wichen in die sozialistischen Nachbarstaaten aus, die den Sport erlaubten und sogar förderten. Am häufigsten traf man sich im tschechischen Rana, 40 Kilometer hinter der Grenze in Nordböhmen. Die Stasi sah sich daraufhin veranlasst, diesen relativ kleinen Personenkreis zu „zersetzen“ und durch die Einschleusung von IM unter Kontrolle zu bringen.

 

Für die Untersuchung konnten 122 ehemalige Drachen- und Gleitschirmflieger ermittelt werden, die im Jahr des Verbotes (1980) zwischen 15 und 60, im Durchschnitt knapp 33 Jahre alt waren. Während ihrer Flugaktivitäten lebten zwei Drittel in Sachsen und Thüringen. Mit 76 von ihnen kamen Befragungen zustande, nachdem ihr jetziger Aufenthaltsort bekannt wurde. Außerdem berichteten dem Autor zwei ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des MfS, die mit der Drachenflugproblematik befasst waren.

 

Dr. Claus Gerhard

Der begrenzte Himmel. Drachen- und Gleitschirmfliegen in der DDR

Metropol Verlag, Berlin, 2011

368 Seiten, 24,00 €

ISBN 978-3-86331-008-0