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Erinnern, der Zukunft wegen

Mit einer Vortragsreihe in der Volkshochschule möchte die Vereinigung „Gegen Vergessen - Für Demokratie“ zusammen mit anderen Einrichtungen etwas gegen Geschichtsvergessenheit tun.

VON PETER KLUCKEN

Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin und Professor für Politik- und Sozialwissenschaften, beklagt jüngst in einem Aufsatz, dass die Deutschen ihre demokratischen Traditionen viel zu wenig feiern. Er schreibt: „Die Franzosen erinnern jedes Jahr an den 14. Juli, die Vereinigten Staaten feiern in aller Fröhlichkeit den 4. Juli. Wann hatten wir das letzte Straßenfest an einem 23. Mai, dem Jahrestag, an dem 1949 das Grundgesetz in Kraft trat und damit die freiheitlichste Verfassung, die wir je hatten?“ Tuchels Frage ist rhetorisch gemeint, die Antwort ist dagegen echt: In Duisburg im Jahr 2014. Der gemeinnützige Verein „Gegen Vergessen - Für Demokratie“, eine parteiübergreifende Vereinigung, die bundesweit arbeitet und deren Regionalstelle in Duisburg besonders aktiv ist, hatte dieses Fest auf die Beine gestellt.

In den vergangenen Jahren hat sich „Gegen Vergessen - Für Demokratie“ mit vielen historischen Veranstaltungen einen guten Namen gemacht. Auch in diesem Jahr setzt die Vereinigung, deren Regionalgruppe aus ca. 90 aktiven Mitgliedern besteht, ihre unabhängige und hochkarätige, gleichwohl ehrenamtliche Geschichtsarbeit fort. Am 18. Februar, am 18. März und am 6. Mai wird es drei Vortragsabende in der Volkshochschule (Steinsche Gasse 26) geben, die unter dem Motto stehen: „Die Deutschen, ihre Geschichte und was sie dafür halten - Ein Forum für Zukunftsfragen“. Die Vorträge finden jeweils an einem Montag, von 20 bis 21.30 Uhr im Saal der VHS statt. Der Eintritt ist frei!

Den Anfang macht am 18. Februar der junge Historiker Jan Kellershohn, der seinem Vortrag über die Weimarer Republik den Frage-Titel gibt „Demokratie ohne Demokraten?“ Kellershohn skizziert seinen Vortrag folgendermaßen: Kaum ein zeithistorisches Ereignis in der Bundesrepublik geschieht, ohne dass die Frage nach den Parallelen zur Weimarer Republik aufgeworfen wird. Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei „rechten“, „völkischen“ oder„(rechts)populistischen“ Ideen und Ideologien zu. Vor diesem Hintergrund analysiert der Vortrag erstens die erinnerungshistorische Dimension dieser Konstellation anhand der sogenannten „konservativen Revolution“. Zweitens geht es darum, über einige politische Schlüsselbegriffe die Uneinheitlichkeit „rechten“ Denkens in der Weimarer Republik aufzuzeigen.

Der Geschichtslehrer Stefan Braun beschäftigt sich am 18. März ebenfalls mit der Weimarer Republik, wobei er jedoch sein Augenmerk auf die Antidemokraten von Links legt. Seine Vortragszusammenfassung liest sich so: Nicht nur Kommunisten, sondern auch Anhänger der staatstragenden Sozialdemokratie vertraten die Auffassung, dass die bürgerliche Republik überwunden werden müsste. Der Vortrag verfolgt drei Intentionen: Erstens, soll die Auseinandersetzung zwischen Realpolitik und Revolutionsromantik als eine Konstante der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik aufgezeigt werden. Zweitens bietet der Vortrag einen Überblick über linke demokratiefeindliche Organisationen und antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Drittens muss diskutiert werden, welche Bedeutung linkem antidemokratischen Denken beim Untergang der Weimarer Republik zukam.

Stefan Brauns Vater, Wolfgang Braun (Jahrgang 1955), Sozialwissenschaftler und regionaler Sprecher von „Gegen Vergessen - Für Demokratie“, widmet sich am 6. Mai einer grundsätzlichen Frage: Erinnern - an wen, an was und warum? Wolfgang Brauns Vortrag ist ein Kommentar oder eine Entgegnung auf die Forderung nach einer „geschichtspolitischen Wende“, wonach die Deutschen aus dem „Sühnekult“ heraustreten sollen, um sich ihrer geschichtlichen Glanzstunden - am besten am Kyffhäuser - zu versichern. Braun sieht solche Forderungen mehr als kritisch. Im Blick auf die Nazi-Zeit schreibt er in seiner Vorankündigung: „Die Sonderstellung der zwölf Jahre nicht nur in der deutschen Geschichte, sondern auch in der reichhaltigen und vielfältigen jüngeren Gewaltgeschichte der Menschheit ergibt sich aus der Sache, nicht aus Vorurteil, Feindseligkeit oder Selbsthass“. Braun geht es um eine zeitgemäße Erinnerungs- und Gedenkkultur.

Während sich die Vortragsreihe in der ersten Jahreshälfte an der deutschen Geschichte orientiert, beginnen bei „Gegen Vergessen - Für Demokratie“ die Vorbereitung für weitere Veranstaltungen, die sich mit dem europäischen Kulturraum beschäftigen. Den Anfang machen dabei Großbritannien und die Niederlande.

 

Info: Sieben Einrichtungen sind beteiligt

Die Geschichtsreihe ist ein Projekt einer großen Veranstaltungsgemeinschaft, an der folgende Einrichtungen beteiligt sind: Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. / Regionale Arbeitsgruppe Rhein-Ruhr West. Volkshochschule Duisburg. Deutsch-Französische Gesellschaft Duisburg e.V. Deutsch-Britische Gesellschaft Duisburg e.V. Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Duisburg-Niederrhein. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Stadtverband Duisburg. Jugendring Duisburg.

 

Dieser Artikel ist am Samstag, den 05. Januar 2019, erschienen in: Rheinische Post, Seite C6. Wir danken für die Abdruckgenehmigung.