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Ehre, wem Ehre gebührt! Die vielfach vergessene Freiheits- und Demokratiegeschichte der Deutschen als thematischer Schwerpunkt in den Jahren 2018 und 2019

Wolfgang Braun

Die Duisburger Gruppe der Vereinigung „Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.“ begann vor etwa drei Jahren, ihrer Arbeit ein neues Profil zu geben. Sichtbar wurde dies erstmals im Vorjahr, als im Rahmen der Bücher- und Flaggenaktion „Schwarz-Rot-Gold“ sieben Schulen Pakete mit Unterrichtsmaterialien erhielten. Bis zum 23. Mai 2017 werden weitere 21 Schulen beliefert. Doch auch thematisch werden in den nächsten Jahren neue Schwerpunkte gesetzt – auch wenn auf Bekanntes und Vertrautes aufgesetzt wird.
„Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ wurde seit Aufnahme seiner Arbeit in Duisburg vor allem über den ersten Namensbestandteil wahrgenommen, auch wenn schon sehr früh andere Aktivitäten zumindest die gleiche Bedeutung hatten: Erinnert sei an das „Fest der Freiheit zum Verfassungstag“ oder auch „Europa feiert! Feiert Europa!“. Aber sein Image als leicht anders ausgerichtete VVN oder etwas politischer agierende christlich-jüdische Arbeitsgemeinschaft legte der Verein dabei nur bedingt ab. Derartige Zuordnungen mögen zwar mal mehr oder mal weniger ehrenwert sein, dass sie am Kern der Tätigkeit vorbeigehen, wird in den nächsten beiden Jahren deutlicher hervortreten.
Denn es stehen zwei Jubiläumsjahre ins Haus, die in ihrem Zusammenhang gesehen und begangen werden müssen. 2018 jähren sich die beiden demokratischen Revolutionen im gesamten Deutschland, die von 1848 und von 1918; 2019 sind die Jahrestage der drei deutschen Verfassungen, nämlich von 1849, 1919 und 1949, zu feiern. Und im Rückblick auf die letzten runden Jubiläen bleibt festzustellen: Die Weimarer Republik wurde zu ihrem neunzigsten fast schon mit Verachtung, das Grundgesetz zum siebzigsten mit Lieblosigkeit behandelt.
Wenn nun vorgeschlagen wird, die emanzipatorischen Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts ausgiebig zu würdigen, unter anderem auch die Persönlichkeiten, die sich in diesen Kämpfen hervorgetan haben, wird beileibe nicht die Wende in einen neuen Nationalismus vollzogen – wie vielfach anlässlich der Flaggen- und Bücheraktion befürchtet wurde.
Im Gegenteil, es wird nur die Korrektur eingeleitet, die die immer wieder zu beobachtenden Fluchtversuche der Nachgeborenen aus der deutschen Geschichte überflüssig macht – beim aktuellen Anlauf flüchtet der an sich und seinesgleichen zweifelnde Zeitgenosse nicht mehr unter die rote Fahne wie nach 1968, ins Multikulti wie 15 Jahre später, sondern unter die Europaflagge. Als ob nicht alle anderen Europäer diesen Okkupationsversuch der gemeinsamen Symbole durch den stärksten aller Partner in Europa als Bedrohung wahrnehmen müssen. Daher sollten auch die Deutschen die Europaflagge einsetzen wie alle anderen Europäer auch: Neben und nicht anstelle der eigenen.
Sinnvoll begangen und ausgestaltet würde so das aktuelle Geschichtsbild der Deutschen – nolens volens immer auch ein Selbstbild – von der in den letzten 20 bis 30 Jahren durchgesetzten Reduktion auf den Dreischritt „Sündenfall“ (NS), „Buße“ (Niederlage) und „Wiederauferstehung“ („Phönix aus der Asche“) wieder zurechtgerückt. Die deutsche Geschichte lässt sich halt nicht auf die 12 Jahre reduzieren, aber die Ereignisse der zwölf Jahre lassen sich auch nicht mit Hinweise auf die vorgängige Geschichte Deutschlands und der Deutschen hinwegretuschieren. Genauso wenig lässt sich die deutsche Geschichte auf eine reine Vergehens- und Versäumnisgeschichte reduzieren; sie hat auch ihre großen Stunden, Tage und Jahre. Die Deutschen haben ihre Geschichte in ihrer Gebrochenheit zur Kenntnis zu nehmen, ohne daran zu zerbrechen, und diese zu ertragen. „Die Shoa und ihr Schatten“ werden bleiben und sie auf absehbare Zeit begleiten.
Schande, wem Schande gebührt – Ehre, wem Ehre gebührt. Die innere Abklärung ist bezüglich des negativen Teils der deutschen Geschichte in den letzten Jahren mehr als ausgiebig erbracht worden, der positive bleibt noch zu leisten. Bestenfalls regional ist da oder dort noch ein Anflug von Stolz auf die Bewegung in der DDR von 1989 zu finden.
Wenn die Traditionen der deutschen Demokratie, die Glanztaten ihrer Freiheitsgeschichte nicht gewürdigt werden, wird die Klage über die mangelnde Anerkennung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung heute zur schalen Rhetorik.  Von nichts kommt nichts. Daher werden an dieser Stelle die Eckpunkte der Vorschläge für die beiden nächsten Jahre kursorisch benannt.
2018 sollte im Frühjahr der demokratischen Revolutionen in Europa ge- und bedacht werden – aber auch der Reformbewegungen in denjenigen Staaten, die nicht von den Unruhen und Umsturzversuchen erfasst wurden. Ein Querschnittsprogramm zur europäischen Freiheitsgeschichte, in die die deutsche eingebettet war und ist, braucht sich nicht auf Vortragsveranstaltungen zu beschränken, Lesungen und Musikvorführungen und vieles andere würden sich geradezu aufdrängen. Ein Vorschlag für eine CD „Europäische Freiheitslieder 1789 bis 1989“ ist schon ausgearbeitet.
Im Herbst wäre dann – sonst kann den damaligen Umbrüchen niemand gerecht werden – die deutsche Entwicklung von 1918 und der Folgejahre im Längsschnitt zu präsentieren. Als ein Schwerpunkt empfiehlt sich eine Veranstaltungssequenz zum 9. November in der deutschen Geschichte. Eine Veranstaltung zur 100. Jahrestag der Novemberrevolution, eine zum 80. Jahrestag der „Reichspogromnacht“ und eine zum Fall der Mauer im Jahre 1989. Daneben lässt sich vieles denken. Zum Beispiel die Würdigung von Personen und Institutionen. Genannt seien hier nur Friedrich Albert Lange, Wilhelm Hasenclever, Franz Wieber, Gottfried Könzgen, Karl Jarres, Michael Rodenstock, …  Eine kleine Hall of Fame der Lokalgeschichte – das hätte schon was.
Verbleibt der Ausblick auf das Jahr 2019. Hier reichen erst einmal zwei Hinweise. Ein knappes Kursprogramm mit renommierten Referenten zu den drei deutschen Verfassungen im zweiten Halbjahr und im ersten, wenn möglich am 23. Mai, ein Festakt. Nicht nur mit und von den immer Beteiligten und Anwesenden, sondern mit einem etwas anders zusammengesetzten Publikum. Neben der Prominenz und Honoratioren auch Schüler und Auszubildende, Jugendliche aus Sport- und anderen Vereinen, Vertreter der verschiedenen Religionsgemeinschaften, der Kultur und des Wirtschaftslebens – Unternehmer wie Gewerkschafter. An einem würdigen, historischen Ort mit einem ansprechenden Programm.
Ein Hinweis ist zum Abschluss zu geben: „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ ist sich seiner Möglichkeiten und Grenzen bewusst. Der Verein kann eine solche Entwicklung anregen, er wird nicht ihr Hauptträger sein – hier sind alle demokratischen Kräfte gefordert. Aber er kann Ideen unterbreiten. Ab dem 23. Mai 2017 steht eine ausführlichere Skizze zum Download bereit:
http://www.gegen-vergessen.de/vor-ort/rhein-ruhr-west.html.

Zur Berichterstattung in der Rheinischen Post: http://www.rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/ehre-wem-ehre-gebuehrt-aid-1.6831252

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