RAG Hamburg: Gedenken an Carl von Ossietzky

Festakt zum 75-jährigen Jubiläum der Friedensnobelpreisverleihung an Carl von Ossietzky und erstmalige Verleihung des Schülerpreises „Querdenker“

Erinnerung an Carl von Ossietzky: Denkmal in der Ossietzky-Str. in Berlin-Pankow. Foto: Wikipedia/richardfarbi

Vor 75 Jahren erhielt Carl von Ossietzky den Friedensnobelpreis – in Abwesenheit; ein bis 2010 einmaliger Vorgang, als es dem chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo ebenso erging.

Dieses Jubiläum war der RAG Hamburg von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. eine kleine Gedenkfeier wert. Während der Veranstaltung am 8. Dezember im Carl-von-Ossietzky-Gymnasium wurde auch erstmalig der „Querdenker“-Schülerpreis verliehen, der besondere Leistungen im Sinne des Leitbildes der Schule würdigen und hervorheben soll.

Carl von Ossietzky steht für Werte wie Toleranz, Solidarität und Gerechtigkeit, er gibt uns ein Vorbild in Zivilcourage und selbstständigem („Quer“-)Denken.

In dieser Tradition und als „Club of Rome“-Schule richtet das Hamburger Ossietzky-Gymnasium den Blick in Erweiterung der Perspektive Carl von Ossietzkys auf internationale soziale Gerechtigkeit sowie ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit. Schülerinnen und Schüler, die sich im Sinne Carl von Ossietzkys und/oder des Club of Rome in besonderer Weise engagiert haben, werden deshalb prämiert. In diesem Jahr wurde zum einen eine Gruppe von fünf Schülerinnen und Schülern ausgezeichnet, die kreativ und mit Engagement erreichten, dass zwei ermordeten Hamburger Juden, dem Ehepaar Salomon aus der Susannenstraße, mit zwei Stolpersteinen gedacht wird.

Außerdem wurde eine Schülerin gewürdigt, die sich als Querdenkerin erwies, als sie, trotz Widerstandes von offizieller Seite, mit Einfallsreichtum und Mut dafür sorgte, dass die Schulmensa doch noch erweitert wurde. Der Historiker Dr. Holger Martens, Mitglied von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., ging anlässlich der „Querdenker“-Preisverleihung in seinem Vortrag auf die Wirkung Carl von Ossietzkys ein und fragte vor allem danach, „was sein Leben und sein Wirken uns heute sagt“.

Carl von Ossietzky, so Martens,  erhielt den Friedensnobelpreis, weil er sich als Journalist für Frieden, Demokratie und Völkerverständigung eingesetzt hatte. Sein Engagement resultierte auch aus der Erfahrung des Ersten Weltkrieges, den er als Soldat in Verdun erlebt hatte. Der Krieg ließ Ossietzky zu einem überzeugten Pazifisten werden. Die Nationalsozialisten sahen in  Carl von Ossietzky einen Staatsfeind und sperrten ihn als politischen Gefangenen ins Konzentrationslager. Das Nobelpreiskomitee ergriff mit Ossietzkys Nobelpreisnominierung Partei für einen Regimegegner und ächtete damit das NS-Regime.. 1935 konnte sich das Nobelpreiskomitee noch nicht zu einer Verleihung durchringen, doch sollte der Preis auch an keinen anderen verliehen werden, so dass es zunächst keinen Preisträger gab. Erst mit der Nobelpreisverleihung 1936 wurde Carl von Ossietzky der Friedensnobelpreis für 1935 nachträglich zuerkannt. Zum ersten Mal blieb ein Platz bei der Nobelpreisverleihung leer. Carl von Ossietzky durfte nicht nach Oslo reisen. Die Nazis legten ihm nahe, auf den Preis zu verzichten und versprachen ihm dafür sogar die Freiheit. Carl von Ossietzky verzichtete nicht. Hitler schäumte und ließ anordnen, dass zukünftig kein Deutscher mehr einen Nobelpreis annehmen dürfe.

Die Freiheit erlangte Carl von Ossietzky nicht wieder. Immerhin wurde der bereits schwerkranke Regimegegner aus dem KZ in ein Gefängniskrankenhaus verlegt. Am 4. Mai 1938 starb Carl von Ossietzky an einer Lungentuberkulose im Alter von 49 Jahren.

Holger Martens zog die Parallele von Carl von Ossietzky zu Liu Xiaobo, der 2010 für seinen gewaltfreien Kampf für Menschenrechte in China mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Zum ersten Mal seit 1936 blieb der Stuhl eines Nobelpreisträgers leer, weil China den Menschenrechtsaktivisten ins Gefängnis gesperrt hatte und ihm eine Reise nach Oslo verweigerte. Liu Xiaobo wird weiter gefangen gehalten und als ein gewöhnlicher Krimineller bezeichnet.

Zu den Gemeinsamkeiten von Ossietzky und Xiaobo sagte Holger Martens: „Beide waren offensichtlich als Einzelpersönlichkeiten in der Lage, mit ihren Fragen und durch ihr Schreiben einen ganzen Staat herauszufordern. Und zwar so herauszufordern, dass die Mächtigen dieser Staaten sich bedroht fühlten oder doch zumindest stark provoziert.“ Holger Martens machte die anwesenden Schülerinnen und Schüler auch auf die Herausforderung durch Rechtsextremisten in der heutigen Zeit aufmerksam, etwa durch die Kranzniederlegungen durch Neonazis am  Ehrenmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege in Lemsahl-Mellingstedt zum Volkstrauertag. Damit, so Martens, „muss uns allen klar sein, dass die Werte für die sich Carl von Ossietzky  engagiert hat - Toleranz, Demokratie und Völkerverständigung - nichts an Aktualität verloren haben und jeder von uns aufgefordert ist, seinen Beitrag dazu zu leisten, dass Intoleranz, Fremdenhass und jede Form von rechtem Gedankengut keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.“