„Warmherzig und zugleich kaltblütig“

„Stille Helfer“ als Thema am Holocaust-Gedenktag 2011 in Hermannsburg

Albrecht Schack

Hermannsburg.  Wer waren die Menschen, die während der NS-Zeit bereit waren, unter Einsatz ihres eigenen Lebens Juden zu helfen, sie zu verstecken und mit Lebensmitteln zu versorgen ?  Diese „stillen Helfer“ wurden lange Zeit aus unserem „kollektiven Gedächtnis verdrängt“, wie Cornelia Schmalz-Jacobsen in ihrem Vortrag anlässlich des Holocaust-Gedenktages im Hermannsburger Ludwig-Harms-Haus verdeutlichte.

Als stellvertretende Vorsitzende der Vereinigung Gegen Vergessen – Für Demokratie
und  als Zeitzeugin war sie gebeten worden, von den für damalige Verhältnisse geradezu waghalsigen Rettungsaktionen ihrer Eltern Eberhard und Donata Helmrich  zu berichten, denen sie im Jahre 2002 ihr Buch „Zwei Bäume in Jerusalem“ gewidmet hat. Sie waren 1968 bzw. 1987 von der Gedenkstätte Yad Vashem zu „Gerechten unter den Völkern“ erklärt worden.
Als „warmherzig und zugleich kaltblütig“ charakterisierte Frau Schmalz-Jacobsen ihre
Eltern; sie seien eine „ganz normale“ Familie gewesen, aber konsequent in der Ablehnung jeglicher Unterstützung des NS-Regimes. Der Vater – Kreisbeauftragter für Landwirtschaft in dem von den Deutschen besetzten Galizien – hat dort auf Grund seiner kriegswichtigen Stellung und seines Einflusses immer wieder Juden retten können. Getarnt als Arbeitskräfte in einer spontan gegründeten Garten-Farm konnte er eine Gruppe von ihnen vor dem Ghetto bewahren und so seine Schützlinge auch mit Lebensmitteln versorgen. In besonders dringenden Fällen schlug er vom ostpolnischen Drohobycz eine Brücke nach Berlin, wo die Familie wohnte und wo seine Frau Donata junge Jüdinnen in Empfang nahm, um sie mit falschen Papieren und geänderten Identitäten als Haushaltshilfen zu vermitteln. Solche „Aktionen“ waren nur möglich, weil die Familie eingebunden war in einen Freundeskreis Gleichgesinnter, der wie eine Kette funktionierte, in der kein Glied reißen durfte.
Die Zahl der von den Eltern Helmrich geretteten Juden schwankt zwischen 7o und 300, viele Spuren hätten sich verwischt . Aber das sei nicht  entscheidend, meinte die Tochter, hier gelte das Wort aus dem Talmud :  „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“.

Natürlich wissen wir als Nachgeborene nicht, wie wir selbst uns damals verhalten hätten, wenn von der Gestapo gejagte und in ihrem Leben bedrohte Juden uns um Hilfe oder Obdach gebeten hätten. Oder wenn am Arbeitsplatz unser Beistand oder unsere Solidarität als Mitmenschen oder gar als Christen gefragt gewesen wäre.

Wie groß der Spielraum damals für den einzelnen und im Einzelfall war, ist und bleibt eine offene Frage. Ihr nachzugehen, wäre auch in unseren Tagen eine wichtige Lektion in Zivilcourage. 

Dr. Albrecht Schack ist zusammen mit seiner Frau Sigrid Mitglied bei Gegen Vergessen – für Demokratie e.V. und in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Celle und seit 1996 alljährlich verantwortlich für die Vorbereitung und Durchführung des  Holocaust-Gedenktages in Hermannsburg.