Verantwortungsethisches Handeln heute – Zu den Herausforderungen der Flüchtlingskrise

Stellungnahme von Prof. Dr. Bernd Faulenbach:

Die Flüchtlingskrise weist eine ganze Reihe von Problemen auf, die Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. in besonderer Weise betreffen. Es geht um Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt, um die Integration von Fremden und um die Auseinandersetzung mit Vorurteilen und Extremismus. Die Bewältigung der Aufgaben ist nicht unabhängig von Rahmenbedingungen und politischer Kultur.

Nach wie vor gibt es in unserem Land viel Hilfsbereitschaft und Engagement, den Flüchtlingen zu helfen. Dies gilt für die Mitarbeiter von Verwaltungen und Organisationen wie für viele Ehrenamtliche. Allerdings stellen zunehmend mehr Menschen die Frage, wann Politik ihre Handlungs- und Steuerungsfähigkeit wieder gewinnt. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen ist dazu nötig, die von der Bekämpfung der Fluchtursachen über die Sicherung der Außengrenzen bis zu Signalen darüber reichen, wo Grenzen unserer Aufnahmefähigkeit liegen. Rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte versuchen, verbreitete Ängste und Unsicherheit über die Flüchtlingspolitik für ihre Zwecke zu nutzen. Auch deshalb hat Politik das Mögliche und Notwendige zur Lösung der Probleme zu tun. Humanität und Realismus müssen sich dabei verbinden.

Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. wird auf jeden Fall durch seine Arbeit Tendenzen zur Fremdenfeindlichkeit, die sich in der gegenwärtigen Konstellation erheblich verstärken, entgegentreten und den Verfall zivilisierter Standards bei der Erörterung der Flüchtlingsfragen ebenso geißeln wie die unerträglichen Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte. Dabei setzt Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. in seiner Arbeit vorrangig auf Aufklärung über Vorurteile und Stärkung des demokratischen zivilgesellschaftlichen Engagements.

Die Frage der politischen Integration der Flüchtlinge könnte ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit werden. Die Menschen kommen hierher, weil sie sichere Verhältnisse suchen, wahrscheinlich auch ein besseres Leben führen wollen. Sie entstammen Regionen, deren Prägungen sehr unterschiedlich zu unserer politischen Kultur sind. Sie wandern gleichsam in eine andere Geschichte und Kultur ein. Die Integration ist deshalb eine gewaltige vielschichtige Aufgabe. Unsere Aufgabe könnte es sein, mit geeigneten Maßnahmen dazu beizutragen, dass wir diese Menschen für unsere Werte gewinnen, die auf dem Hintergrund besonderer historischer Erfahrungen zu sehen sind.

Gerade die Flüchtlingsfrage lässt aber auch die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, nach der Demokratie, aber auch nach Europa entstehen. Angehen müssen wir gegen die wachsende Politikverdrossenheit, die sich teilweise in antipolitischen Haltungen verfestigt. Wir müssen darauf achten, dass unsere Demokratie in dieser schwierigen Phase keinen Schaden nimmt, dass sich sozial Schwächere etwa im Hinblick auf die Wohnungsfrage nicht angesichts der Fixierung auf die Flüchtlingsproblematik ausgegrenzt fühlen. Die sozialstaatliche Dimension unserer Demokratie hat sich zu bewähren. Und was Europa angeht, so haben wir transnational die Frage aufzugreifen, wie wir europäische Werte im Hinblick auf Nicht-Europäer definieren wollen.

Für Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. gibt es in dieser Situation viel zu tun. Wir haben die Aufgaben mit unseren Mitteln – nicht zuletzt dem Mittel der Aufklärung und des Diskurses – anzugehen.

10.11.2015

Prof. Dr. Bernd Faulenbach

stellvertretender Vorsitzender von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.