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Zeitorte. Eine Ausstellung von Georg Soanca-Pollak anlässlich des Gedenkens an den 9. November 1938 im Jüdischen Museum München

Ausstellungsdauer: 8. November – 2. Dezember 2012
Eröffnung: 8. November 2012, 19 Uhr
Mit Unterstützung der RAG München von Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.
Rahmenprogramm: Zeitzeugengespräch

„Ich habe kein Bild von Fritz Schaller als dieses. Für mich geht er immer noch mit meiner Mutter und den Tanten auf diesem Weg spazieren. Und wenn mich jemand nach den große Dingen fragen würde, nach Liebe, Güte und Frieden, ich könnte ihn nur auf diesen Moment verweisen, nach dessen Fotograf ich mich niemals erkundigt habe.“
Aus Hanno Loewy, ein Spaziergang ...

Bereits seit 1995 beschäftigt Georg Soanca-Pollak sich in seinen künstlerischen Arbeiten mit dem jüdischen Leben in Deutschland vor 1945. War zunächst vor allem historisch-dokumentarisches Bildmaterial die Basis für seine Arbeiten wie „Bilder der Erinnerung“ für das Stadtarchiv München, kombiniert er in seine Installation für die KZ-Gedenkstätte Dachau „Ich sehe die Lichter der Stadt, ich sehe sie aus“ auch eigenes Foto- und Filmmaterial mit dokumentarischem Material.

In seiner aktuellen Arbeit „Zeitorte“ verwendet er erstmals sehr persönliche Zeitdokumente. Die großformatigen Fotocollagen (ca. 120 x 200 cm) verbinden Fotos von Familienangehörigen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg mit Fotos, die der Künstler vom „Denkmal der ermordeten Juden Europas“ in Berlin und dem Konzentrationslager Auschwitz gemacht hat. Viele der Portraitierten sind in Auschwitz von den Nationalsozialisten ermordet worden.

Jede Fotocollage folgt einem ähnlichen Grundprinzip: Details des Berliner Denkmals werden mit dem Himmel von Auschwitz, wie der Künstler ihn 2012 fotografiert hat, kombiniert. Oder der Himmel über dem Berliner Denkmal wird mit Details des Konzentrationslagers Auschwitz kombiniert. Im Zentrum des Bildes, wie eine dritte Ebene, die Schwarz-Weiß-Fotografie eines Familienangehörigen. Die Fotos sind private Schnappschüsse. Sie strahlen Unbeschwertheit und Lebensfreude aus. Auf ihnen ist von der brutalen Ausgrenzung und systematischen Auslöschung der jüdischen Mitbürger noch nichts zu spüren. Eine weitere Ebene bildet die Zahl 8020. Es ist die Nummer, die der Großmutter des Künstlers im KZ Auschwitz auf den Arm tätowiert worden ist.

Mit Hilfe der unterschiedlichen Bildebenen verschränkt der Künstler die Gegenwart mit der Vergangenheit, die verschiedenen Zeiten und Orte verschmelzen miteinander. Die Gedenkstätte in Berlin wurde 2005, 50 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges eröffnet. Es ist ein Ort der Erinnerung und des Gedenkens, erbaut an zentralem, „neutralem“ Ort. Das ehemalige KZ Auschwitz war das größte deutsche Vernichtungslager während der Zeit des Nationalsozialismus und der Ort, an dem viele Familienmitglieder des Künstlers ermordet worden sind. Einige wenige haben überlebt. Die tätowierte Nummer 8020 auf dem Unterarm seiner Großmutter erinnert stellvertretend für viele Schicksale, wie ihr durch die Nummer ihr Name und damit ihre Identität genommen wurde. Diese drei Ebenen bilden eine Art Brücke auf der die Portraits der Verstorbenen und damit ihre ganz persönliche Geschichte in die Gegenwart zurückkehren. In dem der Künstler uns einen Einblick in die Geschichte seiner Familie gewährt, lässt er uns teilhaben an seiner persönlichen Erinnerungsarbeit. Stellvertretend für die Millionen Opfer stellt er uns einige seiner Familienmitglieder vor, gibt ihrer individuellen Geschichte wieder ein Gesicht und ermöglicht so dem Betrachter eine sehr persönliche Begegnung mit der Vergangenheit.

Georg Soanca-Pollak
Geboren 1967 in Klausenburg, Rumänien.
Seit 1995 setzt er sich mit dem jüdischen Leben in Deutschland vor 1945 auseinander. Anhand von Fotos einzelner Personen betreibt er seit über 15 Jahren eine Art persönlicher Spurensicherung. Seine bekannteste Arbeit ist der „Gang der Erinnerung“ für die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern. Anders als die jüdische Kultur, die vor allem mit Schrift als kulturellem Gedächtnis verbunden ist, ist es für Georg Soanca-Pollak das Bild, das die Erinnerung aufrecht hält. Statt abstrakter Informationen über den Völkermord möchte er über die Bilder den Verfolgten nahe kommen und an sie erinnern.